Aktuelles aus dem Energierecht: Die Novelle der ARegV – die letzte ihrer Art?

September 2021
Margret Schellberg / Thilo Richter
Aktuelles aus dem Energierecht: Die Novelle der ARegV – die letzte ihrer Art?

Noch vor der Sommerpause hat der Gesetzgeber neben dem EnWG auch die ARegV angepasst. Die geänderte Verordnung gilt seit dem 31. Juli 2021. Neben vielen begrüßenswerten Änderungen sorgt der Verordnungsgeber mit der Novelle bei einigen Regelungen mit „Klarstellungen“ erneut dafür, dass abweichende – netzbetreibergünstige – Auslegungen in Frage gestellt werden.

Zum einen wurde beim Kapitalkostenabzug eine Änderung des § 6 Abs. 3 S. 2 ARegV eingefügt, nach der der Aufwand für Fremdkapitalzinsen nun spezifiziert wird als jener „gemäß § 5 Absatz 2 der Stromnetzentgeltverordnung und § 5 Absatz 2 der Gasnetzentgeltverordnung“. Diese Änderung – sowie eine Änderung der zugehörigen Anlage 2a – war kurzfristig in den Verordnungsgebungsprozess eingebracht worden. Der Verordnungsgeber möchte damit „einige Aspekte klarstellen“, ohne hier konkreter zu werden. Es wird auch nicht ausdrücklich auf die hierzu ergangene Rechtsprechung des OLG Düsseldorf (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18. November 2020 – VI-3 Kart 843/19 (V)) eingegangen, wonach der Begriff des Fremdkapitalaufwands bei § 6 Abs. 3 ARegV nicht das Abzugskapital nach § 7 Abs. 2 Strom/GasNEV erfasse. Auch nach der Verordnungsänderung bleibt das Problem, dass der Kapitalkostenabzug zu keinen sachgerechten Ergebnissen führen würde, wenn man nach der Grundlogik des Kapitalkostenabzugs auch solche Fremdkapitalzinsen proportional zu den Restwerten der Anlagen abschmelzen würde, die bereits typologisch in keinem Zusammenhang mit der Finanzierung des Netzes stehen und sich daher realiter gerade nicht in Abhängigkeit mit den Restwerten des Anlagevermögens entwickeln. 

Zum anderen hat der Verordnungsgeber auch die den Kapitalkostenabzug betreffende Übergangsregelung des § 34 Abs. 5 S. 1 und 2 ARegV angepasst. Anliegen des Verordnungsgebers war hier offenbar die – wiederum als „Klarstellung“ bezeichnete – Korrektur der von den Gerichten vertretenen Auffassung (z.B. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 1. Juli 2020 − VI-3 Kart 770/19 (V)). Nunmehr hat der Verordnungsgeber den Normbefehl des Satz 1 auch auf „die hierauf entfallenden Baukostenzuschüsse, Netzanschlusskostenbeiträge und Sonderposten für Investitionszuschüsse“ erweitert. In S. 2 hat er die Anlagen im Bau mit aufgenommen. Die Änderung hat bereits die Diskussion entfacht, ob hier eine verfassungswidrige echte Rückwirkung vorliegt, wenn sie für die gesamte dritte Regulierungsperiode Anwendung finden soll.

Die ARegV enthält jedoch auch zahlreiche weitere Änderungen. So wurde das Verfahren angepasst, mit dem die Verzinsung für überschießendes Eigenkapital bestimmt wird. Durch die Novellierung der ARegV sollen zudem Anreize zur Begrenzung der Engpassmanagementkosten konkretisiert und verstärkt werden. In Bezug auf die Übertragungsnetze hat der Verordnungsgeber ein auf die Engpassmanagementkosten wirkendes Bonus-/Malus-Modell eingeführt. Zur Gewährleistung einer Refinanzierung ohne Zeitverzug für anstehende Großinvestitionen wird auch für die Transport- und Übertragungsnetzebene der Kapitalkostenabgleich eingeführt. Für die Verteilernetzebene bedeutsam ist die Verlängerung der Übergangsregelung, die mit der Einführung des Kapitalkostenabgleichs für Verteilnetzbetreiber eingeführt wurde. Durch die vollständige Integration der Veröffentlichungspflichten in das EnWG verliert die ARegV insoweit an Bedeutung. § 31 ARegV wurde aufgehoben.

Insgesamt sind die Nachjustierungen der ARegV für die Praxis wichtig; möglicherweise gehen sie als die letzten ihrer Art in die Geschichte ein. Denn am 2. September 2021 will der EuGH entscheiden, ob die durch Verordnungsrecht steuernde sog. normative Regulierung des deutschen Regulierungssystems gegen die unionsrechtlich geforderte Unabhängigkeit der Regulierungsbehörden verstößt und damit auch die ARegV jedenfalls als Verordnung ein Auslaufmodell wäre. Dieser kritische unionsrechtliche Blick wird insoweit von der Praxis kontrastiert, als Änderungen gerade der ARegV nicht selten auf Vorschläge der BNetzA zurückgingen und „Klarstellungen“ im Sinne der Position der Regulierungsbehörden enthielten.