Kartellrecht: Änderungen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen im "Osterpaket"

Am 6. April hat die Bundesregierung ein umfangreiches Paket mit Gesetzesvorhaben – das Osterpaket – vorgelegt, mit dem ein Teil der energiepolitischen Ziele des Koalitionsvertrags verwirklicht werden soll. Der Regierungsentwurf des „Gesetzes zur Änderung des Energiewirtschaftsrechts im Zusammenhang mit dem Klimaschutz-Sofortprogramm und zu Anpassungen im Recht der Endkundenbelieferung“, der Teil des Osterpakets ist, sieht neben erheblichen Änderungen des EnWG auch zwei wichtige Änderungen im Kartellrecht vor:
Erstreckung der besonderen Missbrauchsaufsicht auf Fernwärme
Die Fernwärmeversorgung wird in die besondere Missbrauchsaufsicht des § 29 GWB aufgenommen. Damit wird eine Vorschrift reaktiviert, die bislang nur für die Strom- und leitungsgebundene Gasversorgung galt und die in jüngerer Vergangenheit wegen zunehmenden Wettbewerbs in den Strom- und Gasmärkten und des Abschmelzens vormals marktbeherrschender Stellungen an Bedeutung verloren hat. Die Bundesregierung kommt mit der Aufnahme des Fernwärmesektors in § 29 GWB einer Anregung des Bundeskartellamts und der Landeskartellbehörden nach. Bereits bislang galt zwar das allgemeine kartellrechtliche Missbrauchsverbot aus § 19 GWB für marktbeherrschende Fernwärmeversorgungsunternehmen, das auch weiterhin neben § 29 GWB anwendbar bleibt. Die praktische Bedeutung der Gesetzesänderung liegt aber vor allem in der Umkehr der Darlegungs- und Beweislast für die sachliche Rechtfertigung vermeintlich ungünstiger Entgelte und sonstiger Geschäftsbedingungen eines Fernwärmeversorgungsunternehmens. Sind die Entgelte oder sonstigen Geschäftsbedingungen eines Fernwärmeversorgungsunternehmens ungünstiger als diejenigen anderer Fernwärmeversorgungsunternehmen oder von Unternehmen auf vergleichbaren Märkten, liegt ein kartellrechtlich verbotener Marktmachtmissbrauch vor, falls das Fernwärmeversorgungsunternehmen nicht nachweisen kann, dass die ungünstigeren Bedingungen sachlich gerechtfertigt sind. Die Umkehr der Darlegungs- und Beweislast gilt zwar nur im Kartellverwaltungsverfahren vor den Kartellbehörden und, nach herrschender Auffassung, im kartellgerichtlichen Beschwerdeverfahren, nicht hingegen im Bußgeldverfahren. Auch im Zivilprozess gilt die Umkehr der Darlegungs- und Beweislast nach § 29 Nr. 1 GWB nicht ausdrücklich, über die Grundsätze der sekundären Darlegungslast entfaltet § 29 GWB nichtsdestoweniger ein ähnliches Drohpotential wie im Kartellverwaltungsverfahren.
Wichtig für Fernwärmeversorgungsunternehmen ist darüber hinaus der Hinweis in der Begründung des Regierungsentwurfs, dass die Bundesregierung den Rechtsrahmen des Fernwärmesektors evaluieren will und dabei auch über eine Regulierung nachdenkt.
Erstreckung des Beobachtungsauftrags der Markttransparenzstelle auf Rohöl-Raffinerien
Bislang beobachtet die beim Bundeskartellamt angesiedelte Markttransparenzstelle nur den Handel mit Kraftstoffen auf dem Tankstellenmarkt, also der Letztverbraucherstufe. Dieser Beobachtungsauftrag soll nunmehr um die Wertschöpfungsstufe der Herstellung von Benzin und Diesel ergänzt werden. Konkret soll die Markttransparenzstelle das Marktverhalten der Rohöl-Raffinerien beobachten. Anders als Tankstellenbetreiber müssen die Raffineriebetreiber allerdings nicht laufend Preis- und Mengendaten an die Markttransparenzstelle melden; vielmehr stehen der Markttransparenzstelle (nur) die allgemeinen kartellbehördlichen Instrumente aus §§ 59, 59a und 59b GWB zur Verfügung, also das Auskunftsverlangen, die Befugnis zur Einsicht und Prüfung von geschäftlichen Unterlagen und die Befugnis zur Durchsuchung. Hintergrund der Erweiterung des Beobachtungsauftrags auf die Großhandelsstufe ist die Erkenntnis, dass weniger der Tankstellenmarkt als vielmehr der vorgelagerte Großhandelsmarkt für raffinierte Ölprodukte (Benzin, Diesel) hoch konzentriert ist. In Deutschland sind lediglich zwölf Betreiber von Rohöl-Raffinerien tätig, die teilweise untereinander gesellschaftsrechtlich und geschäftlich über Kollegenlieferungen verbunden sind. Dieser Markt soll nunmehr laufend durch die Markttransparenzstelle beobachtet werden.