Erdgas-Wärme-Soforthilfegesetz

November 2022
LEITFELD Rechtsanwälte
Erdgas-Wärme-Soforthilfegesetz

Selten war die Unsicherheit so groß wie in der aktuellen Energiekrise. Die ohnehin ange-spannte Lage auf den Energiemärkten hat sich weiter verschärft und im Jahresverlauf 2022 teilweise zu extremen Preissteigerungen bei Haushalten und Unternehmen geführt. Nun soll die sogenannte Soforthilfe greifen, um diese Entwicklung jedenfalls teilweise auf-zufangen. Am 2. November 2022 wurde als Soforthilfe die Übernahme der im Dezember 2022 fälligen Abschlagszahlung für Gas und Fernwärme beschlossen, nun wurde das „Gesetz über eine Soforthilfe für Letztverbraucher von leitungsgebundenem Erdgas und Kunden von Wärme (Erdgas-Wärme-Soforthilfegesetz)“ (EWSG) verabschiedet. 

I. Begünstigte der Soforthilfe

Im Bereich der Erdgaslieferungen werden die Energielieferanten nach § 2 Abs. 1 S. 1 EWSG verpflichtet, ihren Letztverbrauchern für jede ihrer Entnahmestellen innerhalb Deutschlands einen einmaligen Entlastungsbetrag gutzuschreiben:

  • Hierunter fallen alle Letztverbraucher, die von einem Lieferanten am Stichtag 1. De-zember 2022 über ein Standardlastprofil (sog. SLP) beliefert werden. 
  • Es werden aber auch Entnahmestellen von Letztverbrauchern erfasst, die mit regist-rierender Leistungsmessung (RLM) abgerechnet werden, wenn der Jahresver-brauch der Entnahmestelle die Grenze von 1,5 Mio. kWh Gas nicht überschreitet (siehe § 2 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 EWSG). 
  • Ausgenommen sind gem. § 2 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 EWSG solche Entnahmestellen, die Erdgas für den kommerziellen Betrieb von Strom- und Wärmeerzeugungsanlagen beziehen sowie nach § 2 Abs. 1 S. 3 Nr. 3 EWSG zugelassene Krankenhäuser. Nach der Begründung zum Gesetzentwurf weiterhin ausgenommen sind wegen der BKR-Kleinbeihilfenregelung solche Unternehmen, gegen die EU-Sanktionen verhängt wurden.
  • Als Ausnahme zu der 1,5 Mio. kWh-Grenze sollen aber im Gesetz ausdrücklich be-nannte Entnahmestellen von Letztverbrauchern verbrauchsunabhängig von der Soforthilfe profitieren. Nach § 2 Abs. 1 S. 4 EWSG werden so Entnahmestellen pri-vilegiert, deren Bezug von Erdgas weit überwiegend im Zusammenhang mit der Vermietung von Wohnraum oder als Wohnungseigentümergemeinschaft erfolgt. Darüber hinaus werden bestimmte soziale Dienstleister privilegiert, etwa zugelas-sene Pflege-, Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen, Kindertagesstätten und weitere Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, die im Aufgabenbereich des Sozialgesetzbuchs soziale Leistungen erbringen. Auch werden staatliche, staatlich anerkannte oder gemeinnützige Einrichtungen des Bildungs-, Wissenschafts- und Forschungsbereichs sowie Einrichtungen der medizinischen Rehabilitation (ohne zugelassene Krankenhäuser zu sein) und der beruflichen Rehabilitation im Sinne des § 51 SGB IX begünstigt. Auch andere soziale Dienstleister wie Werkstätten für Menschen mit Behinderungen nach § 219 SGB IX oder Leistungserbringer der Ein-gliederungshilfe nach Teil 2 des SGB IX erhalten die Soforthilfe. 

Entsprechend zu § 2 EWSG werden im Bereich Wärmelieferung alle Kunden erfasst, die mit einem Wärmeversorgungsunternehmen einen Wärmeliefervertrag abgeschlossen ha-ben und deren Jahresverbrauch gemäß § 4 Abs. 1 S. 3 EWSG die Grenze von 1,5 Mio. kWh Wärme nicht überschreitet. Unabhängig vom Jahresverbrauch sind solche Kunden erfasst, die die bezogene Wärme im Zusammenhang mit der Vermietung von Wohnraum an ihre Mieter weitergeben. Des Weiteren sind – identisch zu der Regelung im Gasbereich – die oben benannten Letztverbraucher, wie etwa staatliche, staatlich anerkannte oder ge-meinnützige Einrichtungen des Bildungs- Wissenschafts- und Forschungsbereichs und soziale Dienstleister, verbrauchsunabhängig privilegiert.
RLM-Kunden müssen nach § 2 Abs. 1 S. 5 EWSG dem Erdgaslieferanten ihre Berechti-gung in Textform bis zum 31. Dezember 2022 anzeigen, um von der Soforthilfe zu profitie-ren. Lassen RLM-Kunden die Frist verstreichen, dürfte ein Anspruch auf die Entlastung nicht bestehen. 

II. Pflichten der Lieferanten/Versorgungsunternehmen

Die Soforthilfe soll von Gaslieferanten und Wärmeversorgungsunternehmen gewährt wer-den, schätzungsweise sind etwa 1.500 Unternehmen betroffen.

1. Entlastungsverpflichtung

Die Entlastungverpflichtung der Erdgaslieferanten und Wärmeversorger bezieht sich auf Dezember 2022 und gilt unabhängig davon, ob der Kunde sich im Zahlungsverzug befin-det oder nicht. Eine Aufrechnung ist nicht möglich (siehe § 2 Abs. 4 S. 4 EWSG (Gas) und § 4 Abs. 1 S. 4 EWSG (Wärme)). 
Die Entlastungsverpflichtung ist für Gas und Wärme unterschiedlich ausgestaltet:

  • Gem. § 2 EWSG sind Erdgaslieferanten verpflichtet, den Letztverbrauchern für jede ihrer Entnahmestellen in der Bundesrepublik Deutschland einen einmaligen Ent-lastungsbetrag gutzuschreiben. Für die Betroffenen entfällt damit die Pflicht, die vertraglich vereinbarten Abschlagszahlungen für den Monat Dezember zu leisten. 
    • Das Gesetz sieht notwendigerweise eine Differenzierung hinsichtlich der SLP- und RLM-gemessenen Kunden vor. Für SLP-gemessene Kunden soll es nach § 3 EWSG eine vorläufige Leistung geben. Die Entlastung für Letztverbraucher, die im Wege einer RLM-Messung beliefert werden, kann hingegen unmittelbar auf Grundlage von § 2 EWSG als endgültige Leistung erfolgen. Dabei wird davon ausgegangen, dass RLM-Kunden auf der Grundlage monatlicher Messungen auch monatlich abgerechnet werden. 
    • Der Entlastungsbetrag setzt sich aus zwei Komponenten zusammen. Zum einen enthält der Entlastungsbetrag ein arbeitsbezogenes Preiselement, den Arbeitspreis, und einen Anteil der anderen Preiselemente, die auch den Leistungspreis umfassen. Die anderen Preiselemente fließen in die Ermitt-lung des Entlastungsbetrags ein, soweit sie nach dem Erdgasliefervertrag anteilig für Dezember 2022 anfallen. Für einen SLP-Kunden ist vorgesehen, dass ein Zwölftel des Jahresverbrauchs, den der Erdgaslieferant für die Entnahmestelle im Monat September 2022 prognostiziert hat, mit dem Ar-beitspreis multipliziert wird, der für den Monat Dezember 2022 zwischen Letztverbraucher und Erdgaslieferant vereinbart wurde. Bei RLM-Kunden hat der Erdgaslieferant für die Ermittlung des Verbrauchs, der in die Kalkula-tion des arbeitsbezogenen Preiselements einfließt, auf ein Zwölftel der vom Messstellenbetreiber gemessenen Netzentnahme der Monate November 2021 bis einschließlich Oktober 2022 abzustellen.
  • Bei der Wärmeversorgung erfolgt die Entlastung durch eine pauschale Zahlung, die sich aufgrund anderer Vertragsstrukturen als bei Gas an der Höhe des im Septem-ber 2022 vom Kunden gezahlten Abschlags bemisst. Wärmeversorgungsunterneh-men sind nach § 4 Abs. 1 EWSG verpflichtet, ihren Kunden für deren im Dezember 2022 zu leistende Zahlungen für Wärmelieferungen eine finanzielle Kompensation nach Maßgabe des Abs. 3 der Vorschrift bis spätestens zum 31. Dezember 2022 zu leisten. Das Wärmeversorgungsunternehmen hat aber ein Wahlrecht im Hinblick auf die konkrete Umsetzung. Es ist berechtigt, zwischen dem Verzicht auf eine im Dezember fällige Voraus- oder Abschlagszahlung des Kunden, einer Zahlung an den Kunden oder einer Kombination aus beiden Elementen zu wählen.
  • In § 5 EWSG finden sich umfangreiche Spezialregeln zu der Weitergabe der Entlas-tung bei Miet- und Pachtverhältnissen. 

2. Informationspflicht

Nach § 2 Abs. 4 S. 1 EWSG sind Erdgaslieferanten verpflichtet, bis zum 21. November 2022 auf ihrer Website über die Soforthilfe zu informieren:

  • Die Information muss einfach auffindbar sein, das heißt auf der Website am besten an prominenter Stelle hervorgehoben werden. 
  • Inhaltlich ist allgemein und umfassend darüber aufzuklären, dass und wie die ein-malige Entlastung nach Maßgabe der § 2 Abs. 1 bis 3 und des § 3 EWSG erfolgt. Das schließt eine Aufklärung über den Kreis der Begünstigten ein. Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass das Energiesparen infolge der Übernahme einer Ab-schlagszahlung – nicht einer Rechnung – für den Monat Dezember 2022 sich wei-ter kostensparend auswirkt und die Entlastung aus Mitteln des Bundes finanziert wird. 
  • Dagegen entfallen alle andere Informationspflichten, wie gemäß § 2 Abs. 4 S. 3 EWSG klargestellt wird. Dies macht die Informationspflichten aus § 5 Abs. 2 und Abs. 3 GasGVV und § 41 Abs. 5 EnWG entbehrlich.

Wärmelieferanten trifft eine vergleichbare Informationspflicht. Sie müssen nach § 4 Abs. 4 S. 1 EWSG binnen zwei Wochen nach Inkrafttreten des EWSG ihre Kunden verständlich über die Soforthilfe und den Kreis der Begünstigten informieren. Dies kann – wie bei Erd-gaslieferanten – über die Website oder per brieflicher Mitteilung geschehen. Es ist nach Satz 2 auch über die nach § 9 Abs. 5 Nr. 3 EWSG an den Beauftragten zu übermittelnden Daten aufzuklären und darauf hinweisen, dass die Entlastung aus Mitteln des Bundes finanziert wird.

III. Erstattungsansprüche der Lieferanten/Versorgungsunternehmen

Um die Entlastung für den Monat Dezember zu finanzieren, haben die Energielieferanten und Wärmeversorgungsunternehmen ihrerseits einen Erstattungs- oder einen Vorauszah-lungsanspruch gegen die Bundesrepublik Deutschland: 

  • Für Erdgas- und Wärmelieferanten, die nach den §§ 2 und 4 EWSG zu Entlastun-gen verpflichtet sind, ist in § 6 S. 1 EWSG ein Erstattungsanspruch in Höhe der ge-leisteten Entlastungen vorgesehen. 
  • In § 7 S. 1 EWSG wird für Erdgaslieferanten in Höhe der Entlastungsbeträge nach § 2 Abs. 2 S. 4 und S. 5 und der gem. § 3 EWSG gewährten vorläufigen Leistungen ein Vorauszahlungsanspruch normiert, um Liquiditätslücken zu vermeiden. Das er-fasst die Abschläge von Letztverbrauchern und bei RLM-gemessenen Kunden die rechnerische Netzentnahme eines Monats. Hat der Erdgaslieferant keinen Voraus-zahlungsantrag gestellt, gewährt aber Entlastungen nach § 2 EWSG, kann er den Erstattungsanspruch bis zum 31. Mai 2024 im Wege eines Auszahlungsantrags nach § 10 Abs. 3 S. 1 EWSG geltend machen. 

IV. Antragsverfahren für Lieferanten/Versorgungsunternehmen

Die Ausgleichsansprüche gegen die Bundesrepublik Deutschland werden per Antrag gel-tend gemacht:

  • Zur Verwirklichung des Vorauszahlungsanspruchs nach § 7 S. 1 EWSG ist zwi-schen dem Vorauszahlungsantrag gem. § 8 Abs. 1, 2 EWSG und dem Prüfantrag nach § 8 Abs. 4, 5 EWSG zu unterscheiden:
    • Zur Geltendmachung ihres Vorauszahlungsanspruchs müssen die Liefe-ranten gem. § 8 Abs. 1 EWSG über das Kreditinstitut nach Absatz 2 Satz 1 Nr. 2, das regelmäßig ihre Hausbank sein wird, einen schriftlichen oder elektronischen Vorauszahlungsantrag bei der KfW stellen. Er muss die Hö-he der beantragten Vorauszahlung sowie die IBAN eines auf den Namen des Lieferanten lautenden Zahlungskontos bei einem Kreditinstitut mit Sitz oder Niederlassung in Deutschland enthalten, § 8 Abs. 2 S. 1 EWSG. Dem Vorauszahlungsantrag ist der Ergebnisbericht der Überprüfung im Sinne des § 8 Abs. 4 S. 4 EWSG beizufügen.
    • Dem Auszahlungsverfahren des § 8 Abs. 1 bis 3 EWSG geht ein Prüfverfah-ren durch einen von dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klima-schutz Beauftragten (vgl. § 1 Abs. 4 S. 1 EWSG) nach den § 8 Abs. 4 und 5 EWSG voraus. Die Aufgabe des Beauftragten i. S. d. EWSG ist vom BMWK der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC zugewiesen worden. Diese soll zunächst lediglich eine eingeschränkte Identitätsprüfung und Plausibilitäts-kontrolle der beantragten Erstattungssumme durchführen, um im Dezember die schnelle Auszahlung zu gewährleisten. Der Beauftragte gilt regelmäßig als von dem Antragsteller bevollmächtigt, nach Abschluss der Prüfung im Namen des Antragstellers den Vorauszahlungsantrag des § 8 Abs. 1 EWSG zu stellen, wenn es keine Beanstandungen gibt. Im Regelfall prüft der Be-auftragte die Höhe und Voraussetzungen einer Auszahlung und übermittelt den Antrag dann über die Hausbank des Erdgaslieferanten in dessen Na-men an die KfW, die als Zahlstelle fungiert.
    • Haben Erdgaslieferanten eine Vorauszahlung erhalten, müssen sie nach-gelagert eine Endabrechnung nach § 10 EWSG vorlegen, um Differenzen zwischen der Vorauszahlung und dem tatsächlichen Erstattungsanspruch im Sinne des § 6 S. 1 EWSG in Form von Nach- oder Rückzahlungen aus-gleichen zu können. 
  • Für Wärmeversorgungsunternehmen sieht § 9 EWSG einen Erstattungsantrag für ihren Erstattungsanspruch gem. § 6 S. 1 EWSG vor. Das Antragsverfahren für den Erstattungsantrag ist entsprechend zu § 8 EWSG ausgestaltet. Ist ein Unternehmen Erdgaslieferant und Wärmeversorger zugleich, kann der Vorauszahlungsantrag nach § 8 EWSG mit dem Erstattungsantrag aus § 9 EWSG nach Maßgabe des § 9 Abs. 6 EWSG zusammengefasst werden. Gleiches gilt für die jeweiligen Prüfanträ-ge. Wärmeversorgungsunternehmen, die eine Erstattungszahlung nach § 9 EWSG erhalten haben, trifft gemäß § 10 EWSG ebenfalls die Verpflichtung ihre An-spruchsberechtigung abschließend nachzuweisen. 

Für die Erfüllung der Verpflichtungen durch Lieferanten und Versorgungsunternehmen gemäß § 10 EWSG besteht eine Ausschlussfrist bis zum Ablauf des 31. Mai 2024. 

V. Mitwirkung von Kreditinstituten und der BNetzA

Das EWSG verpflichtet in § 13 Kreditinstitute, Vorauszahlungsanträge sowie Auszah-lungsanträge der Lieferanten zusammen mit den Ergebnisberichten an die KfW zu übermit-teln. Die Übermittlungspflicht der Kreditinstitute umfasst zudem auch die Ergebnisse der den Kreditinstituten nach den §§ 10 bis 15 GWG obliegenden geldwäscherechtlichen Pflichten sowie ihrer sanktionsrechtlichen Prüfungspflichten. 

Die BNetzA ist verpflichtet, das Verfahren zu unterstützen. Sie hat dem Beauftragten ihr vorliegende Informationen über Erdgaslieferanten zu übermitteln, soweit dies für Antrags-prüfungen und sonstigen Prüfungshandlungen erforderlich ist.

VI. Ausblick

Auch wenn noch wichtige Fragen unbeantwortet sind: Das Gesetz ist in Rekordgeschwin-digkeit verabschiedet worden. Am 10. November 2022 hat der Bundestag in zweiter und dritter Lesung über das Gesetz entschieden. Am 14. November 2022 hat der Bundesrat in einer Sondersitzung dem Gesetz zugestimmt, ohne dass zuvor Ausschussberatungen stattgefunden haben. Nach Unterzeichnung durch den Bundespräsidenten und nach der Verkündung im Bundesgesetzblatt wird das Gesetz in Kraft treten. Ziel des BMWK ist es, dass bereits ab dem 17. November 2022 Anträge der Erdgas- und Wärmeversorger möglich sind. 

Allerdings ist die Soforthilfe nach dem EWSG nur der erste Schritt zur Abfederung der er-heblichen Belastungen durch die stark gestiegenen Energiepreise. Weitere Instrumente sind die Preisbremsen für Strom und Gas.