Aktuelles aus dem Energierecht: Bundesregierung verabschiedet Entwurf der WasserstoffNEV

Die Bundesregierung hat am 22. September 2021 den vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) vorgelegten Entwurf einer Verordnung über die Kosten und Entgelte für den Zugang zu Wasserstoffnetzen (Wasserstoffnetzentgeltverordnung; WasserstoffNEV-E) verabschiedet. Wasserstoff spiele – so das BMWi in der Pressemitteilung – beim Erreichen der Treibhausgasneutralität bis 2045 aufgrund seiner vielseitigen Einsatzmöglichkeiten eine besondere Rolle. Entscheidend sei in den nächsten Jahren, zügig den Markthochlauf in allen Wertschöpfungsstufen des Wasserstoffsektors zu schaffen – insbesondere auch bei der Transportinfrastruktur.
Mit der WasserstoffNEV-E ist ein weiterer wesentlicher Schritt in Richtung der Regulierung von Wasserstoffnetzen gemacht. Die WasserstoffNEV-E stützt sich auf § 28o EnWG, der bereits Grundsätze der Bildung von Wasserstoffnetzentgelten enthält und zugleich die nähere Ausgestaltung der Bedingungen und Methoden zur Ermittlung der Kosten und Entgelte für den Netzzugang zu Wasserstoffnetzen an den Verordnungsgeber delegiert.
Damit ist kaum ein Jahr vergangen, seitdem das BMWi mit der Veröffentlichung der Nationalen Wasserstoffstrategie (NWS) im Juni 2020 und die Bundesnetzagentur mit ihrer Bestandsaufnahme zur Regulierung von Wasserstoffnetzen im Juli 2020 die Etablierung einer Wasserstoffwirtschaft um vieles greifbarer werden ließen (dazu im Einzelnen Sieberg/Cesarano, RdE 2020, S. 532). Im Februar dieses Jahres folgte der Gesetzesentwurf für eine umfangreiche EnWG-Novelle mit einem eigenen Abschnitt zur Regulierung von Wasserstoffnetzen (Abschnitt 3b EnWG). Diese Regelungen sind dann Ende Juli dieses Jahres in Kraft getreten. Insgesamt hat sich der Gesetzgeber gegen eine einheitliche Regulierung von Wasserstoff- und Gasinfrastrukturen entschieden und die Wasserstoffnetzregulierung sogar von einer Opt-in-Entscheidung des Netzbetreibers abhängig gemacht (vgl. dazu Sieberg/Cesarano, RdE 2021, S. 297).
Mit der WasserstoffNEV-E fügt der deutsche Verordnungsgeber nun einen weiteren Baustein zum Aufbau einer deutschen Wasserstoffwirtschaft hinzu. Man muss kein Kenner der Energiewirtschaft sein, um zu wissen, dass es nicht der Schlussstein war, sondern dass viele weitere Anpassungen und Nachjustierungen folgen werden, um einerseits technischen Fortschritten Rechnung zu tragen und dabei zugleich das sensible Geflecht energiewirtschaftlicher Vorschriften weiter zu harmonisieren.
Das Ziel des Markthochlaufs kann nur erreicht werden, wenn der Rechtsrahmen für Investoren und Netzbetreiber eine verlässliche Grundlage darstellt. Insoweit ist erst einmal zu begrüßen, dass die WasserstoffNEV-E einen zur StromNEV und insbesondere zur GasNEV vergleichbaren Regelungsansatz zur Ermittlung der Netzkosten und Grundsätze der Bestimmung der Netzentgelte verfolgt – teilweise in neuer Sortierung (z.B. § 8 WasserstoffNEV-E im Vergleich zu § 6 GasNEV). Eine der zentralen Treiber für den Markthochlauf wird ohne Zweifel § 10 Abs. 4 WasserstoffNEV-E sein. Danach beträgt der auf das betriebsnotwendigen Eigenkapital eines Betreibers von Wasserstoffnetzen anzuwendende Eigenkapitalzinssatz 9 % vor Steuern. Abweichend davon beträgt der auf Altanlagen entfallende Anteil am betriebsnotwendigen Eigenkapital anzuwendende Eigenkapitalzinssatz 7,73 % vor Steuern. Die Zinssätze sind bis zum 31. Dezember 2027 anzuwenden. Erkennbar sind diese Regelungen vom Bestreben getrieben, einen verlässlichen Rahmen (für sechs Jahre) zu schaffen und – gerade im Vergleich zur Diskussion um die Zinssätze im Strom- und Gasnetzbereich – Investitionsanreize (verhältnismäßig hohe Zinssätze) zu setzen. Dies darf aber nicht davor die Augen verschließen, dass Investitionen in die Wasserstoffinfrastruktur auch mit erheblichen Risiken verbunden sind, da die Bedeutung und Marktfähigkeit einer wasserstoffgestützten Energieversorgung hinterfragt wird, zumal viele wichtige Wasserstofftechnologien noch nicht ausgereift sind (vgl. S. 31 der Verordnungsbegründung). Angesichts dieser Risiken dürfte der Zinssatz eher am unteren Ende einer risikoangemessenen Verzinsung liegen.
Weitere Regelungen, die den Besonderheiten des Wasserstoffs und dem beabsichtigten Markthochlauf Rechnung tragen, sind u.a. folgende:
- Netzbetreiber dürfen unter den Voraussetzungen des § 2 Abs. 3 WasserstoffNEV-E Teilnetze und insoweit separate Netzentgelte bilden; dies gilt insbesondere dann, wenn dies zur Umsetzung von Förderentscheidungen erforderlich ist.
- Zuschüsse von Fördermitteln sind – wenig überraschend – kostenmindernd anzusetzen (§ 3 WasserstoffNEV-E).
- § 4, 5 WasserstoffNEV-E enthalten Regelungen zur Erhebung von Hausanschlusskosten und Baukostenzuschüssen, die im Strom- und Gasbereich in den dortigen Netzanschlussverordnungen (NAV, NDAV) verortet sind.
- § 9, 13 WasserstoffNEV-E regeln den Fall, dass eine teilabgeschriebene Gasnetzanlage in einer Wasserstoffnetzanlage „umgewidmet“ wird.
Erste Reaktionen von Netzbetreibern deuten auf eine positive Aufnahme der WasserstoffNEV-E hin. Es bleibt aber abzuwarten, ob dieses Regime und die damit verbundenen Vorteile etwa im Hinblick auf den Zugang zu Fördermitteln hinreichend attraktiv sind, um sich ihm freiwillig zu unterwerfen.
Die WasserstoffNEV-E liegt dem Bundesrat vor, der darüber zu beschließen hat. Noch ist nicht klar, wann das sein wird.
Mehr als nur eine kleine Randnotiz ist, dass mit der WasserstoffNEV-E unbeeindruckt von der Entscheidung des EuGH vom 2. September 2021 (Rs. C-718/18) - siehe dazu unseren Blogbeitrag vom September 2021 - im Wasserstoffbereich an der sog. normativen Regulierung – also einer detaillierten Vorgabe eines Regulierungsregimes durch Gesetz und Verordnung – festgehalten wird. Sollten die künftigen unionsrechtlichen Vorgaben für eine Wasserstoffregulierung analog zur Strom- und Gasnetzregulierung dieselbe Unabhängigkeit der nationalen Regulierungsbehörde fordern, könnte die WasserstoffNEV ebenso flüchtig sein wie das Gas, dessen Transportkonditionen sie regelt.