Wettbewerb sticht Nachhaltigkeit!?

Oktober 2025
Dr. Konrad Riemer
Wettbewerb sticht Nachhaltigkeit!?

Mit seinem kürzlich veröffentlichten Fallbericht zum Braunkohlekraftwerk Lippendorf (Az. B8-83/25) hat das Bundeskartellamt eine Entscheidung zu einem Aspekt des Zusammenspiels von Kartellrecht und Nachhaltigkeit getroffen. Im Fall standen sich Wettbewerb, Nachhaltigkeit und Klimaschutz scheinbar widersprüchlich gegenüber. Das Bundeskartellamt legte einen rein wettbewerblich geprägten Prüfungsmaßstab an:

Die tschechische EP-Gruppe (LEAG) übernahm von der EnBW einen 875 MW-Block („Block S“) des Kraftwerks Lippendorf in Sachsen, der mit Braunkohle befeuert wird. Der Kraftwerksblock muss nach dem Kohleverstromungsbeendigungsgesetz bis Ende 2035 stillgelegt werden. Die übernehmende EP-Gruppe ist der zweitgrößte, EnBW der drittgrößte konventionelle Stromerzeuger in Deutschland. Die EP-Gruppe betreibt darüber hinaus den nahegelegenen Braunkohletagebau „Vereinigtes Schleenhain“.

EnBW hatte Braunkohle von der EP-Gruppe auf Basis eines Braunkohleliefervertrags bezogen und die Kosten der Braunkohlelieferung in ihrer Kraftwerkseinsatzentscheidung berücksichtigt. Dies hatte den Einsatz des Kraftwerksblocks durch EnBW vergleichsweise teuer gemacht.

Durch die Übertragung des Blocks S von EnBW an die EP-Gruppe kann Block S nunmehr innerhalb der EP-Gruppe mit Braunkohle versorgt werden, was zu niedrigeren Einsatzkosten und damit häufigeren Einsätzen des Braunkohlekraftwerks durch die EP-Gruppe führt. Das Bundeskartellamt bewertet den Umstand des häufigeren Kraftwerkseinsatzes rein wettbewerblich: Der fusionsbedingt häufigere Einsatz des Blocks wirke sich auf den Stromerstabsatzmarkt preissenkend und wettbewerbsbelebend aus. Dass damit bis zur Stilllegung des Kraftwerksblocks Ende 2035 mehr Braunkohle in Kraftwerksblock S verfeuert und CO2 freigesetzt wird, spielte, jedenfalls im Fallbericht, keine Rolle. Dies mag auch mit dem EU-Emissionshandel zu erklären sein, der zur Folge hat, dass in der Bilanz nicht zwingend mehr CO2 emittiert wird, auch wenn der spezifische Kraftwerksblock häufiger eingesetzt wird. Jedenfalls aber hat das Bundeskartellamt in der Entscheidung zum Kraftwerk Lippendorf den wettbewerbsrechtlichen SIEC-Test nicht wegen gegenläufiger Nachhaltigkeits- oder Klimaschutzaspekte modifiziert.