Energiekrise – Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Energiesicherungsgesetzes und anderer energiewirtschaftlicher Vorschriften

September 2022
Stefan Tüngler
Energiekrise –  Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Energiesicherungsgesetzes und anderer energiewirtschaftlicher Vorschriften

Die dritte Novelle des Energiesicherungsgesetzes (EnSiG) steht bevor. Seit dem 6. September ist der Referentenentwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Energiesicherungsgesetzes und anderer energiewirtschaftlicher Vorschriften verfügbar. Das Ziel dieses Gesetzes besteht in der Überarbeitung der Regelungen zur Gasbeschaffungsumlage, der Verbesserung der Versorgungssicherheit im Strombereich und der Absicherung der Einspeisung von verflüssigtem Gas im Winter 2022/2023.

Dem Vernehmen nach soll das Gesetz bereits am 14. September 2022 im Kabinett beschlossen werden und im Anschluss an die förmlichen Beratungen im Bundestag und Bundesrat – vorbehaltlich einzelner unter Beihilfevorbehalt stehender Regelungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes – in Kraft treten.

Allgemeines

Die Bewältigung der Energiekrise erfordert weitere Anstrengungen, auch und gerade mit Blick auf den zuletzt stärker in den Fokus gerückten Stromsektor. Mit dem jetzt im Entwurf vorliegenden Regelungspaket geht es vor allem um Maßnahmen zur Stabilisierung der Stromversorgung. Insofern werden das Erneuerbare-Energien-Gesetz, das Energiewirtschaftsgesetz und das Netzausbaubeschleunigungsgesetz Übertragungsnetz um Regelungen ergänzt, die die Rahmenbedingungen für die Nutzung von Biogas und Photovoltaik verbessern, zur Beschleunigung des Stromnetzausbaus sowie zur Erhöhung der Transportkapazitäten des bestehenden Stromnetzes beitragen und zu einer besseren Auslastung der Offshore-Anbindungsleitungen führen sollen.

Außerdem werden der kurzfristige Einsatz von LNG erleichtert und der in der Öffentlichkeit heftig kritisierte Umlagemechanismus des § 26 EnSiG und der Gaspreisanpassungsverordnung (GasPrAnpV) überarbeitet.

Änderungen im Bereich des Energiesicherungsgesetzes

Die Änderungen im Bereich des Energiesicherungsgesetzes beziehen sich zunächst auf die Erleichterung eines Brennstoffwechsels (Fuel Switch). Insofern ist vorgesehen, dass die Möglichkeit, per Rechtsverordnung befristete Abweichungen oder Ausnahmen von den Vorgaben der Betriebssicherheitsverordnung für den Betrieb von Anlagen zulassen zu können, auf die Errichtung und die Änderung von Anlagen erweitert wird.

Außerdem soll das Umlagesystem zur Finanzierung der Ersatzbeschaffungskosten als Reaktion auf die heftige öffentliche Kritik angepasst werden. Insbesondere sind Einschränkungen des Empfängerkreises auf diejenigen Unternehmen vorgesehen, die Anspruch auf finanziellen Ausgleich nach § 2 GasPrAnpV haben. Anspruchsberechtigt sollen künftig nur noch Gasimportunternehmen sein, die

  • für die Versorgungssicherheit relevant sind,
  • über einen signifikanten Anteil an ausfallenden russischen Gaslieferungen verfügen und zusätzlich
  • bestimmte Vorgaben zu Gewinn, Umsatz und Fortführungsprognose erfüllen und bei denen per Wirtschaftsprüferbescheinigung die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit sichergestellt ist sowie auf die Ausschüttung von Boni und Dividenden verzichtet wird.

Offen ist derzeit noch, ob es im Hinblick auf die Weitergabe der Umlage an Letztverbraucher eine ausdrückliche Regelung zu Festpreisverträgen geben wird.

Änderungen im Bereich des Erneuerbare-Energien-Gesetzes

Die Änderungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes betreffen Anpassungen des Rechtsrahmens im Hinblick auf eine Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energien. Künftig müssen Betreiber von Photovoltaik-Neuanlagen bis einschließlich 25 kW installierter Leistung die Wirkleistungseinspeisung ihrer Anlage nicht mehr auf 70% begrenzen oder ihre Anlage mit einer entsprechenden Steuerungseinrichtung ausstatten. Zusätzlich wird diese 70%-Regelung ab dem 1. Januar 2023 bei Photovoltaik-Bestandsanlagen bis einschließlich 7 kW installierter Leistung aufgehoben. Überdies wird für den 15. Januar 2023 eine Krisensonderausschreibung für Solaranlagen des ersten Segments mit einem Volumen von 1.500 MW eingeführt, wobei die bezuschlagte Menge jeweils hälftig vom dritten und vierten Ausschreibungstermin des Jahres abgezogen wird, um das Mengengerüst des Erneuerbare-Energien-Gesetzes unangetastet zu lassen. Geplant sind ferner Regelungen zum Bürokratieabbau, insbesondere hinsichtlich der Besteuerung von Erträgen aus kleinen Photovoltaikanlagen.

Erhöht werden soll auch der Anteil von Biogas. Mit der Ergänzung von § 100 Abs. 16 EEG 2021 wird für die Jahre 2022, 2023 und 2024 eine Sonderregelung für die EEG-Förderung von Biogasanlagen geschaffen. Während der Gaskrise sollen alle Potenziale für eine Steigerung der Biogaserzeugung, z.B. durch den Einsatz weiterer Substrate im Fermenter, und dessen Verstromung ausgeschöpft werden. Außerdem wird für die Zeit bis zum 30. April 2024 der Güllebonus flexibilisiert, so dass die entsprechenden Anlagenbetreiber länger von der zusätzlichen Förderung durch diesen Bonus profitieren.

Änderungen insbesondere im Bereich des Energiewirtschaftsgesetzes und des Netzausbaubeschleunigungsgesetzes Übertragungsnetz

Die Schwerpunkte in diesem Bereich bestehen in Maßnahmen zur Beschleunigung des Stromnetzausbaus, zur Erhöhung der Transportkapazitäten des bestehenden Stromnetzes (Höherauslastung), zur Erleichterung von Errichtung und verbesserter Auslastung der Offshore-Anbindungsleitungen und zur Lastflexibilität industrieller Großverbraucher.

Darüber hinaus wird eine Entschädigungsregelung für den Fall eingeführt, dass dem Betreiber einer Gasspeicheranlage in Folge seiner Verpflichtung zur Aufrechterhaltung des Betriebs der Gasspeicheranlage unbillige wirtschaftliche Härten entstehen. Gedacht ist die Entschädigung für atypische Ausnahmefälle, die als Ultima Ratio nur gewährt wird, wenn ein anderweitiger Ausgleich nicht möglich ist. Schließlich werden Speicherkapazitäten für L-Gas gesichert, solange noch keine vollständige Umstellung von L- auf H-Gas erfolgt ist. Um negative Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit zu vermeiden, haben die Betreiber von Gasspeicheranlagen die vollständige Umstellung einer Gasspeicheranlage auf H-Gas sowie die Reduzierung von bestehenden L-Gas-Speicherkapazitäten bei der Bundesnetzagentur zu beantragen.

Änderungen im Bereich des LNG-Beschleunigungsgesetzes

Im Fokus stehen Verfahrenserleichterungen für die genehmigungsrechtliche Zulassung von LNG-Vorhaben, um eine möglichst hohe Gaseinspeisung an den Standorten Brunsbüttel, Wilhelmshaven und Lubmin im bevorstehenden Winter zu sichern