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Die Bundesregierung hat dem Bundesrat am 20. April 2023 den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Erdgas-Wärme-Preisbremsengesetzes, zur Änderung des Strompreisbremsegesetzes sowie zur Änderung weiterer energiewirtschaftlicher und sozialrechtlicher Gesetze (BR-Drs. 167/23, abrufbar unter https://dserver.bundestag.de/brd/2023/0167-23.pdf) vorgelegt. Mit ihm soll dem Anpassungsbedarf Rechnung getragen werden, der im Lichte der ersten Erfahrungen mit der Umsetzung der betroffenen Gesetze identifiziert wurde. Zwar existiert bereits ein Gesetz zur Änderung des Strompreisbremsegesetzes sowie zur Änderung des Erdgas-Wärme-Preisbremsengesetzes (BT-Drs. 20/5994, abrufbar unter (https://dserver.bundestag.de/btd/20/059/2005994.pdf); allerdings wurde damit im Wesentlichen eine Rechtsgrundlage eingeführt, um juristische Personen des Privatrechts als Prüfbehörde zu beleihen.
Angesichts der zahlreichen FAQ-Listen, die auch nur die Spitze des Eisbergs der praktischen Herausforderungen mit der Anwendung dieser Gesetze darstellen, ist die Formulierung der Bundesregierung euphemistisch. Die Auslegungsschwierigkeiten und Rechtsunsicherheiten sind zahlreich und werden auch mit dem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf nicht vollständig beseitigt werden können. Insbesondere hofft man vergeblich auf eine Vereinfachung der Preisbremsengesetze, statt dessen hat die Bundesregierung neue Vorschriften eingefügt:
- Künftig sollen Energielieferanten der Prüfbehörde offensichtliche Anhaltspunkte für das Überschreiten einer Höchstgrenze mitteilen (§ 19 Abs. 7-12 EWPBG bzw. § 11 Abs. 7-12 StromPBG-E). Dazu wird ein antragloses Verfahren eingeführt, mit dem die Prüfbehörde die Überschreitungen der Höchstgrenzen feststellen kann. Soweit eine Überschreitung festgestellt wird, soll die Prüfbehörde gem. § 19 Abs. 10 EWPBG bzw. § 11 Abs. 10 StromPBG die ungerechtfertigten Mehrbeträge per Verwaltungsakt von den Letztverbrauchern und Kunden zurückfordern. Damit wird die Prüfbehörde in die Lage versetzt, von sich aus Höchstgrenzen zu überprüfen und überzahlte Beträge zurückzufordern. Der mögliche Rückforderungsanspruch des Energieversorgungsunternehmens im Rahmen der Endabrechnung erlischt mit diesem Vorgang.
- § 37a EWPBG-E und § 12b StromPBG-E sollen gewerbliche Endkunden, deren Energieverbrauch im Jahr 2021 durch die Belastungen durch die Corona-Pandemie oder die Flutkatastrophe mindestens 50 Prozent unter dem üblichen Jahresverbrauch lagen, ermöglichen, zusätzliche Entlastungen zu beantragen. Der Wortlaut schließt allerdings derzeit (Netz-)Entnahmestellen aus, die im Standardlastprofil bilanziert werden. Der Antrag erfordert umfassende Nachweise gegenüber der Prüfbehörde. So sind neben dem Bescheid über Corona-/Fluthilfen auch Nachweise für den niedrigeren Verbrauch, bereits erhaltene Entlastungszahlungen aus der Gas- und Strompreisbremse und andere Nachweise und Erklärungen zur Verfügung zu stellen.
- §§ 14 Abs. 4, 29a Abs. 1 a StromPBG-E sollen den nachträglichen Ausgleich von Ansprüchen zwischen dem Betreiber der Stromerzeugungsanlage und dem Netzbetreiber regeln, an dessen Netz die Stromerzeugungsanlage angeschlossen ist. Dies betrifft die für die Ermittlung der Überschusserlöse erforderlichen Werte. Diese sollen, soweit sie bis zum Ablauf der Ermittlungsfrist für die Überschusserlöse noch nicht feststehen, vorläufig mitgeteilt werden. Sobald die Werte feststehen, sind diese unverzüglich nachzumelden. Ergibt sich bei der Mitteilung der finalen Werte ein positiver oder negativer Differenzbetrag zu dem Überschusserlös, der aufgrund vorläufiger Mitteilung für den Abrechnungszeitraum berechnet worden ist, so müssen der Betreiber der Stromerzeugungsanlage und der Netzbetreiber, an dessen Netz die Stromerzeugungsanlage angeschlossen ist, den Differenzbetrag unverzüglich ausgleichen.
Die Beratung im Bundesrat ist bereits am 12. Mai 2023 vorgesehen. Die Bundesregierung hat die besondere Eilbedürftigkeit gem. Art. 76 Abs. 2 S. 4 GG damit begründet, dass ein schnellerer Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens erreicht werden soll. Mit diesem Verfahrensschritt wird es der Bundesregierung möglich sein, den Gesetzentwurf dem Bundestag bereits nach Verstreichen einer verkürzten Wartezeit zuzuleiten, d.h. ohne Abwarten der Regelfrist und damit ggf. vor Eingang der Stellungnahme des Bundesrates.
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Grüne synthetische Kraftstoffe – EU-Kommission nimmt Delegierte Verordnung zur Festlegung einer Unionsmethode mit detaillierten Vorschriften für die Erzeugung flüssiger oder gasförmiger erneuerbarer Kraftstoffe nicht biogenen Ursprungs für den Verkehr an
In den vergangenen Wochen wurde auf höchster politischer Ebene über Sinn und Unsinn des Einsatzes grüner E-Fuels im Straßenverkehr gestritten. Auf Druck der deutschen Bundesregierung will die EU-Kommission eine Ausnahme vom grundsätzlichen Verbot der Neuzulassung von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren ab 2035 durch die am 28. März 2023 angenommene Verordnung zur Änderung der Verordnung (EU) 2019/631 im Hinblick auf eine Verschärfung der CO2-Emissionsnormen für neue Personenkraftwagen und für neue leichte Nutzfahrzeuge im Einklang mit den ehrgeizigeren Klimazielen der Union vorsehen. Hierzu will sie einen Delegierten Rechtsakt erlassen, demzufolge auch nach 2035 Fahrzeuge mit Verbrennermotoren zugelassen werden dürfen, sofern sie mit grünen E-Fuels betrieben werden. Auch in der Auseinandersetzung der Regierungskoalition sprach sich die FDP für, die Grünen gegen eine Nutzung von E-Fuels im Individualstraßenverkehr aus. Im Koalitionsausschuss wurde als Verhandlungsergebnis eine verstärkte Nutzung des Potenzials synthetischer Kraftstoffe auch im Straßenverkehr vereinbart, s. Koalitionsbeschluss „Modernisierungspaket für Klimaschutz und Planungsbeschleunigung“ vom 28. März 2023.
Ganz anders als im Individualstraßenverkehr ist dagegen weitgehend unbestritten, dass grüne synthetische Kraftstoffe – sog. flüssige und gasförmige erneuerbare Kraftstoffe nicht biogenen Ursprungs bzw. RFNBOs (renewable liquid and gaseous transport fuels of non-biological origin) (im Folgenden: grüne E-Fuels) – in denjenigen Sektoren eine wichtige Rolle spielen werden, die voraussichtlich langfristig auf flüssige Brennstoffe angewiesen sein werden, insbesondere also im See- und Luftverkehr.
Die Erneuerbare Energien Richtlinie (EU) 2018/2001 (im Folgenden: RED II) sieht in Art. 27 RED II Berechnungsregeln für die Bestimmung des Anteils grünen Stroms in grünen E-Fuels vor und damit Regelungen zur Anrechenbarkeit von grünen E-Fuels auf die obligatorischen Mindestanteile erneuerbarer Energien im Verkehrssektor. Diese Regeln werden nunmehr im Delegierten Rechtsakt der Kommission vom 10. Februar 2023, C(2023) 1087 final, näher konkretisiert. Im Folgenden geben wir einen Überblick über die wesentlichen Regeln des Delegierten Rechtsakts vom 10. Februar 2023 (im Folgenden: Delegierter Rechtsakt).
Anrechenbarkeit von Grünstrom aus direkt mit dem Elektrolyseur verbundenen EE-Anlagen
- Strom, der in einer Anlage zur Herstellung von grünen E-Fuels (im Folgenden: Erzeugungsanlage oder Elektrolyseur) verwendet wird, kann gem. Art. 27 Abs. 3 Unterabs. 5 RED II dann in vollem Umfang als „erneuerbar“ angerechnet werden, wenn er
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- aus einer Anlage stammt, die Strom aus erneuerbaren Energien erzeugt (EE-Anlage),
- eine direkte Verbindung zwischen der EE-Anlage und der Erzeugungsanlage besteht,
- die EE-Anlage gleichzeitig oder nach der Erzeugungsanlage in Betrieb genommen wird (Zusätzlichkeitskriterium) und
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- die EE-Anlage nicht an das allgemeine Stromnetz angeschlossen ist oder die EE-Anlage zwar an das allgemeine Stromnetz angeschlossen ist, der zur Erzeugung der grünen E-Fuels eingesetzte Strom aber nachweislich bereitgestellt wird, ohne dass der Strom aus dem Netz entnommen wurde.
- Der Delegierte Rechtsakt konkretisiert bzw. ändert diese Voraussetzungen nunmehr wie folgt:
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- Für den Begriff der „direkten Verbindung“ verweist Art. 2 Abs. 2 des Delegierten Rechtsakts auf die Definition der „Direktleitung“ nach Art. 2 Nr. 41 der RL (EU) 2019/944. Eine „Direktleitung“ ist danach entweder eine Leitung, die einen einzelnen Produktionsstandort mit einem einzelnen Kunden verbindet, oder eine Leitung, die einen Erzeuger und einen Versorger zur direkten Versorgung mit ihrer eigenen Betriebsstätte, ihren Tochterunternehmen und ihren Kunden verbindet.
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- Das Zusätzlichkeitskriterium wird über den Wortlaut des Art. 27 Abs. 3 Unterabs. 5 lit. a RED II hinaus gelockert. Während die RED II verlangt, dass die EE-Anlage ihren Betrieb „nach oder gleichzeitig“ mit der Erzeugungsanlage aufnehmen muss, ist das Zusätzlichkeitskriterium nach dem Delegierten Rechtsakt auch dann erfüllt, wenn die EE-Anlage ihren Betrieb bis zu 36 Monate vor der Erzeugungsanlage aufgenommen hat (Art. 3 Abs. 1 lit. b Delegierter Rechtsakt). Mit der Lockerung der zeitlichen Korrelation zwischen EE-Anlage und Erzeugungsanlage soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass es bei der Errichtung der Erzeugungsanlage zu unerwarteten Problemen in der Planungs- oder Bauphase kommen kann und diese Verzögerungen der Inbetriebnahme die Anrechenbarkeit des erneuerbar erzeugten Stroms aus der zusätzlich errichteten EE-Anlage nicht vereiteln sollen.
- Eine weitere Konkretisierung betrifft die Frage, unter welchen Voraussetzungen Strom als vollständig erneuerbar angesehen werden kann, wenn die EE-Anlage, in der der Strom zur Herstellung der grünen E-Fuels erzeugt wird, nicht nur die Erzeugungsanlage versorgt, sondern auch an das allgemeine Stromnetz angeschlossen ist. Die RED II verlangt insoweit, dass die zur Herstellung der grünen E-Fuels eingesetzte Elektrizität nachweislich nicht dem allgemeinen Stromnetz entnommen worden ist und, so lässt sich ergänzen, damit klar ist, dass der Strom aus der EE-Anlage stammt. Der Delegierte Rechtsakt verlangt zusätzlich, es müsse durch ein Smart Metering System nachgewiesen werden, dass kein Strom zur Herstellung von grünen E-Fuels aus dem Netz entnommen wurde. Nicht geklärt ist damit allerdings, wie über ein Smart Metering System sicherzustellen ist, dass der Elektrolyseur nicht über die Direktleitung zur EE-Anlage und deren Anschluss an das allgemeine Stromnetz mittelbar mit Elektrizität aus dem allgemeinen Netz versorgt wird. Denkbar wäre insoweit, Smart Meter sowohl in der EE-Anlage als auch im Elektrolyseur einzusetzen.
Anrechenbarkeit von Grünstrom in grünen Gebotszonen
- Bezieht die Erzeugungsanlage den Strom zur Herstellung von grünen E-Fuels nicht aus einer EE-Anlage, die über eine Direktleitung mit der Erzeugungsanlage verbunden ist, sondern aus dem allgemeinen Stromnetz, richten sich die konkretisierten Regeln zur Anrechenbarkeit der bezogenen Grünstrommengen nach den Artt. 4 ff. des Delegierten Rechtsakts:
- Eine Anrechnung von aus dem allgemeinen Stromnetz bezogener Elektrizität als vollständig grün kommt nach Art. 4 Abs. 1 Delegierter Rechtsakt dann in Betracht, wenn der Elektrolyseur in einer Stromgebotszone liegt, in der der durchschnittliche Anteil erneuerbaren Stroms bei über 90 % im zurückliegenden Kalenderjahr lag und die Betriebsstunden des Elektrolyseurs zur Herstellung der grünen E-Fuels pro Jahr nicht über den Anteil von erneuerbar erzeugtem Strom pro Jahr hinausgehen. Beträgt beispielsweise der Grünstromanteil in der Gebotszone 95 %, so darf der Elektrolyseur nicht mehr als 95 % der Stunden eines Jahres grüne E-Fuels erzeugen. Dieses Erfordernis dürfte in der Regel leicht einzuhalten sein, da die wenigsten Elektrolyseure vollständig wartungsfrei in sämtlichen 8.760 Stunden eines Jahres produzieren können.
- Unter den zusätzlichen Voraussetzungen zeitlicher und geographischer Korrelation können Strommengen, die dem allgemeinen Stromnetz entnommen worden sind, auch dann als vollständig erneuerbar angesetzt werden, wenn der Elektrolyseur in einer Stromgebotszone liegt, in der die Emissionsintensität von Elektrizität niedriger als 18gCO2eq/MJ beträgt, s. Art. 4 Abs. 2 Delegierter Rechtsakt.
Anrechenbarkeit von Grünstrom im Übrigen
- Wenn weder die Voraussetzungen nach Art. 4 Delegierter Rechtsakt noch nach Art. 5 Delegierter Rechtsakt erfüllt sind, kann Strom, der dem allgemeinen Netz entnommen worden ist, nur unter den allgemeinen Voraussetzungen für die Zusätzlichkeit sowie die zeitliche und geographische Korrelation nach den Artt. 5, 6 und 7 Delegierter Rechtsakt als vollständig erneuerbar erzeugter Strom angerechnet werden.
- Zusätzlichkeit (Art. 5 Delegierter Rechtsakt): Der zur Herstellung von grünen E-Fuels eingesetzte Grünstrom kann dann vollständig als grün angerechnet werden, wenn er in einer EE-Anlage des Herstellers der grünen E-Fuels erzeugt worden ist oder der Grünstrom über einen Grünstrombezugsvertrag (renewables power purchase agreement) bezogen worden ist. Hinzukommen muss im Grundsatz allerdings, dass die EE-Anlage frühestens 36 Monate vor dem Elektrolyseur in Betrieb genommen worden ist (Art. 5 lit. a Delegierter Rechtsakt) und keine Betriebs- oder Investitionsbeihilfen erhalten hat (Art. 5 lit. b Delegierter Rechtsakt). Diese zusätzlichen Voraussetzungen gelten nach Art. 11 Delegierter Rechtsakt bis zum 1. Januar 2038 allerdings nicht für solche Elektrolyseure, die vor dem 1. Januar 2028 in Betrieb genommen worden sind.
- Zeitliche Korrelation (Art. 6 Delegierter Rechtsakt): Auch im Hinblick auf die zeitliche Korrelation differenziert der Delegierte Rechtsakt zwischen zwei Zeiträumen: Bis zum 31. Dezember 2029 gilt das Erfordernis der Gleichzeitigkeit als erfüllt, wenn die grünen E-Fuels und der erneuerbare Strom im gleichen Kalendermonat erzeugt wurden bzw., falls der Strom aus einem neu errichteten Stromspeicher stammt, der Stromspeicher in dem Monat geladen wurde, in dem der Strom unter dem Grünstrombezugsvertrag erzeugt worden ist. Ab dem 1. Januar 2030 gilt statt der Monats- eine Stundenkorrelation.
- Geographische Korrelation (Art. 7 Delegierter Rechtsakt): Um Netzengpässe zwischen verschiedenen Gebotszonen zu vermeiden, konkretisiert Art. 7 des Delegierten Rechtsakts die Anforderungen an die geographische Korrelation zwischen Grünstromerzeugung und Grünstrombezug. Nach dem Delegierten Rechtsakt ist die Anforderung an eine geographische Korrelation in den folgenden Fällen erfüllt: Die EE-Anlage, aus der der über den Grünstrombezugsvertrag bereitgestellte Strom stammt, befindet sich in der gleichen Gebotszone wie der Elektrolyseur (Art. 7 Abs. 1 lit. a Delegierter Rechtsakt) bzw. in einer Offshore-Gebotszone, die mit der Gebotszone verbunden ist, in der der Elektrolyseur betrieben wird (Art. 7 Abs. 1 lit. c Delegierter Rechtsakt). Alternativ ist von einer geographischen Korrelation auch dann auszugehen, wenn die EE-Anlage in einer verbundenen Gebotszone betrieben wird und die Strompreise in dieser verbundenen Gebotszone im Day-Ahead-Markt in Bezug auf den Monats- bzw. Tageszeitraum nach Art. 6 Delegierter Rechtsakt gleich hoch oder höher sind als in der Gebotszone, in der die Erzeugungsanlage betrieben wird (Art. 7 Abs. 1 lit. b Delegierter Rechtsakt). Denn in diesem Fall ist wegen der Import-Preissignale in der Hochpreisgebotszone nicht zu befürchten, dass der gebotszonenübergreifende Transit des Grünstroms in die Niedrigpreisgebotszone Netzengpässe verursacht.
Nachweise der Grünstromeigenschaft
Schließlich konkretisiert Art. 8 Delegierter Rechtsakt die Nachweispflichten der Erzeuger von grünen E-Fuels, die den Einsatz von Grünstrom in Übereinstimmung mit den Anforderungen nach dem Delegierten Rechtsakt auf Stundenbasis nachweisen müssen.
Geltung der Anrechenbarkeitsregeln auch für grüne E-Fuels aus dem Nicht-EU-Ausland
Die ohnehin anspruchsvollen Regeln für die Anrechenbarkeit des Grünstromanteils in grünen E-Fuels sollen nicht nur für innerhalb, sondern auch für außerhalb der EU erzeugte grüne E-Fuels gelten. Hierbei können sich komplexe Rechtsfragen stellen, falls ein Drittstaat nicht über identische Rechtsinstitute oder Stromversorgungsstrukturen verfügt wie die Mitgliedstaaten der EU. Insgesamt wird die Anwendung der ohnehin anspruchsvollen Berechnungsregeln durch den Delegierten Rechtsakt nicht einfacher.
Nur wenige Wochen nach Erlass des Delegierten Rechtsakts der EU-Kommission zur Berechnung des Grünstromanteils in RFNBOs (dazu der Beitrag von Konrad Riemer) zieht die Europäische Kommission die Entwicklungslinien erneuerbarer Technologien nochmals nach. Aufgrund der rasanten technischen Entwicklung kommt die Behörde immer öfter unter Zugzwang, so auch jetzt, da gleich zwei Unternehmen aus Schottland und Chile die Marktreife der Electric EEL-Technologie verkündeten. Die dahinter stehende Idee ist so einfach wie (ein)leuchtend: Steht Elektrolyseuren kein EE-Strom zur Verfügung, kann durch die Aktivierung von Zitteraalen mit Stimulanzmitteln (hochdosiertes Koffein) eine Mindestlasterzeugung für bis zu zwei Stunden aufrechterhalten werden und die Anlage so strompreisoptimiert gefahren werden.
Die Technologie wirft aber die Frage der Abgrenzung zwischen Aquakulturregulierung und RED II Vorgaben auf. Eine erste Arbeitsfassung eines Rechtsaktes der EU-Kommission, der sich der Aufgabe annimmt, liegt LEITFELD vor. Ein Auszug:
EU-VERORDNUNG Nr. [Nummer]/[Jahr] DER KOMMISSION
vom [Datum]
über die Regulierung der Elektrolyseanlagen im Verhältnis zur Aalquote
GESTÜTZT AUF DEN VERTRAG ZUR GRÜNDUNG DER EUROPÄISCHEN UNION,
gestützt auf die Verordnung (EU) Nr. [Nummer] / [Jahr] des Europäischen Parlaments und des Rates vom [Datum] über die Aquakultur und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1647/2003 des Rates, insbesondere auf Artikel [Nummer],
in Erwägung nachstehender Gründe:
(1) Die Aquakultur ist ein wichtiger Wirtschaftszweig in der Europäischen Union und trägt zur Versorgung mit hochwertigen Lebensmitteln bei.
(2) Elektrolyseanlagen werden in der Aquakultur eingesetzt, um die Wasserqualität zu verbessern und Krankheiten zu bekämpfen.
(3) Der Europäische Rat hat in seinen Schlussfolgerungen vom [Datum] die Bedeutung der Nachhaltigkeit der Aquakultur betont.
(4) Um sicherzustellen, dass Elektrolyseanlagen in der Aquakultur nachhaltig betrieben werden, ist es notwendig, ein Verhältnis zwischen der Erzeugung von Aalen und der chemischen Erzeugung zu schaffen.
(5) Um die nachhaltige Aquakultur zu fördern, dürfen Förderungen aus beiden Bereichen nicht kumuliert werden.
(6) Es ist notwendig, eine einheitliche Regelung für die Elektrolyseanlagen in der Aquakultur in der Europäischen Union zu schaffen.
HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:
Artikel 1
Gegenstand und Geltungsbereich
Diese Verordnung regelt das Verhältnis zwischen der Erzeugung von Aalen und der chemischen Erzeugung in der Elektrolyseanlage, die in der Aquakultur eingesetzt wird.
Artikel 2
Verhältnis von Aalerzeugung und chemischer Erzeugung
Die Elektrolyseanlage unterliegt einem Verhältnis von Aalerzeugung und chemischer Erzeugung (Aalquote). Dies bedeutet, dass die Menge der erzeugten Aale proportional zur Menge der erzeugten Chemikalien sein muss.
Artikel 3
Kumulierung von Förderungen
Förderungen aus beiden Bereichen dürfen nicht kumuliert werden. Die Förderung aus der Aalerzeugung und der chemischen Erzeugung müssen getrennt voneinander beantragt und bewilligt werden.Artikel 4
Inkrafttreten und Geltungsdauer
Diese Verordnung tritt am Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.
Diese Verordnung gilt für einen Zeitraum von [Nummer] Jahren.
Artikel 5
Adressaten
Diese Verordnung ist an die Mitgliedstaaten gerichtet.
Geschehen zu [Ort], am [Datum].
Für die Kommission
[Unterschrift]
Mit dieser erstaunlichen Beschleunigung im Rechtssetzungsverfahren beweist die EU-Kommission Handlungsfähigkeit. Aus Kreisen der Behörde verlautete, dass der Einsatz künstlicher Intelligenz der Schlüssel zum Erfolg ist. Aber auch der nationale Gesetzgeber ist gefordert. Die Einbindung von Zitteraalen – jedenfalls schwarzstartfähigen Zitteraalen – in die Bewirtschaftung von Netzengpässen wird ein Pfeiler der Energiewende werden müssen.
LEITFELD und ChatGPT wünschen einen schönen 1. April!
Die Bundesnetzagentur beabsichtigt, von der ihr in § 118 Abs. 46d EnWG eingeräumten Kompetenz zur Festlegung von Regelungen für die Bestimmung des kalkulatorischen Fremdkapitalzinssatzes für Verteilernetzbetreiber Gebrauch zu machen. Sie hat am 08.03.2023 Eckpunkte einer solchen Festlegung veröffentlicht.
118 Abs. 46d EnWG ist erst Ende des Jahres 2022 in das EnWG eingefügt worden und soll der Entwicklung der Fremdkapitalzinsen Rechnung tragen, die das jahrelange Niedrigzinsniveau teilweise sprunghaft verlassen haben. Die u.a. durch den Ukraine-Krieg ausgelöste Teuerung der Energiepreise und die dadurch eintretende Inflation haben erhebliche Auswirkung auf die Netzwirtschaft, in der die regulierten Netzentgelte vergangenheitsbasiert ermittelt werden. Historische Zinsniveaus sind jedoch nicht mehr repräsentativ für die Fremdkapitalkosten. Ohne Anpassung wäre dauerhaft eine Refinanzierung der Investitionen in die Energieinfrastruktur nicht mehr zu marktgerechten Bedingungen möglich. Die Flexibilisierung der Fremdkapitalzinssätze kann insoweit nur ein erster Schritt sein. Überlegungen der Bundesnetzagentur, die Eigenkapitalzinssätze ebenfalls an die Entwicklungen anzupassen, müssen zeitnah in konkrete gesetzgeberische oder regulatorische Regelungsvorschläge münden.
118 Abs. 46d EnWG sieht die Möglichkeit einer Festlegung sowohl für den Fall steigender Zinssätze (zur Sicherstellung der Investitionsfähigkeit der Verteilernetzbetreiber) als auch für den Fall fallender Zinssätze (zur Wahrung der Grundsätze einer preisgünstigen Versorgung) vor. Die Ermächtigungsnorm ist weit gefasst und nicht auf die dort genannten drei Regelungsmaterien (z.B. Bestimmung für eine von der Regulierungsperiode abweichenden Dauer, Begrenzung auf Neuinvestitionen) beschränkt („insbesondere“). Damit hat die Bundesnetzagentur „freie Hand“, Anlass und Methode einer Anpassung der Fremdkapitalzinssätze zu bestimmen.
Der Gesetzgeber weist in der Begründung zu § 118 Abs. 46d EnWG mit Blick auf das Urteil des EuGH vom 02.09.2021 (C-718/18) darauf hin, dass die Vorschrift eine Übergangsregelung sei; schließlich ist der deutsche Gesetzgeber aufgerufen, die derzeit – nach Auffassung des EuGH – noch durch die normative Regulierung der Energiewirtschaft eingeschränkte Unabhängigkeit der Bundesnetzagentur sicherzustellen. Vor diesem Hintergrund kann schon die Frage gestellt werden, ob der deutsche Gesetzgeber überhaupt noch eine Festlegungskompetenz der Bundesnetzagentur regeln darf, da diese ihre Kompetenz direkt und unmittelbar aus dem europäischen Recht ableitet. Diese und weitere Fragen im Zusammenhang mit den Auswirkungen des EuGH-Urteils dürften angesichts der für diesen März angekündigten Veröffentlichung der ersten Vorschläge einer EnWG-Novelle in den nächsten Wochen und Monaten intensiv diskutiert werden.
Gemäß dem Eckpunktepapier besteht der Regelungsansatz der Bundesnetzagentur darin, für die Verteilernetzbetreiber die Rechtslage zu schaffen, die bereits für die Übertragung -und Fernleitungsnetzbetreiber etabliert ist (vgl. § 10a Abs. 7 S. 5 ARegV). Sie soll die bisherige Methode der Bildung eines Fremdkapitalzinssatzes ersetzen, für den auf den Zinsdurchschnitt der letzten 10 Jahre zurückgegriffen wurde und der für die Dauer der Regulierungsperiode Anwendung fand. In Zukunft könnten danach die Verteilernetzbetreiber bei der Beantragung eines Kapitalkostenaufschlags für die Anlagenzugänge den aktuellen Fremdkapitalzinssatz ansetzen, regelmäßig den des letzten abgeschlossenen Kalenderjahres. Dieser Zinssatz soll in späteren Kalenderjahren, in denen die jeweiligen Anlagegüter in der kalkulatorischen Verzinsungsbasis zu berücksichtigen sind, unverändert bleiben. Wie bei den Übertragungs- und Fernleitungsnetzbetreibern ergibt sich der Zinssatz aus dem arithmetischen Mitteln von durch die Deutsche Bundesbank veröffentlichten Umlaufsrenditen bzw. Zinsreihen (vgl. § 10a Abs. 7 S. 5 ARegV). Abweichungen zwischen Plan- und Ist-Werten werden über das Regulierungskonto ausgeglichen (§ 5 Abs. 1a ARegV i.V.m. § 4 Abs. 4 S. 1 Nr. 1a ARegV).
Die Neuregelung in § 118 Abs. 46d EnWG und die darauf noch zu erlassende Festlegung können als weitere Bausteine einer verbesserten Refinanzierung von Kapitalkosten angesehen werden. Diese erfahren im System der Anreizregulierung eine Besserstellung gegenüber den Betriebskosten, weil sie im Rahmen des § 10a ARegV jährlich aktualisiert angesetzt werden können. Umso mehr fällt die Andersbehandlung der Betriebskosten auf, die nur dann zeitnäher angepasst werden können, wenn sie als dauerhaft nicht beeinflussbare oder als volatile Kostenanteile gelten (§ 11 Abs. 2, 5 ARegV i.V.m. § 4 Abs. 3 S. 1 Nr. 2, 3 ARegV). Eine solche Andersbehandlung ist jedenfalls in den Fällen nicht gerechtfertigt, in denen die Netzbetreiber energiewendebedingte Zusatzaufgaben erfüllen, die nicht nur kapitalkosten-, sondern insbesondere auch betriebskostenintensiv sind
Die Gesetze zu den Strom-, Gas- und Wärmepreisbremsen enthalten Missbrauchsverbote, die tief in die Preisgestaltungsfreiheit von Energieversorgungsunternehmen eingreifen. Das Bundeskartellamt hat eine eigene Abteilung zur Durchsetzung der Missbrauchsverbote aufgebaut und kann selbst ohne Anfangsverdacht Ermittlungen gegen Lieferanten einleiten. Deshalb empfiehlt sich eine frühzeitige Befassung mit den neuartigen Missbrauchsverboten. Stefan Tüngler und Konrad Riemer gehen auf die wichtigsten Auslegungs- und Anwendungsfragen zu den Missbrauchsverboten in Teil 2 unserer Webinar-Reihe zu den Energiepreisbremsen ein.
Datum: 26. Januar, Zeit: 15:00-16:15 Uhr.
Zur Registrierung gelangen Sie über den folgenden Link: https://lnkd.in/eY8mC5dr
Wir freuen uns über Ihre Teilnahme!
Selten war die Unsicherheit so groß wie in der aktuellen Energiekrise. Die ohnehin ange-spannte Lage auf den Energiemärkten hat sich weiter verschärft und im Jahresverlauf 2022 teilweise zu extremen Preissteigerungen bei Haushalten und Unternehmen geführt. Nun soll die sogenannte Soforthilfe greifen, um diese Entwicklung jedenfalls teilweise auf-zufangen. Am 2. November 2022 wurde als Soforthilfe die Übernahme der im Dezember 2022 fälligen Abschlagszahlung für Gas und Fernwärme beschlossen, nun wurde das „Gesetz über eine Soforthilfe für Letztverbraucher von leitungsgebundenem Erdgas und Kunden von Wärme (Erdgas-Wärme-Soforthilfegesetz)“ (EWSG) verabschiedet.
I. Begünstigte der Soforthilfe
Im Bereich der Erdgaslieferungen werden die Energielieferanten nach § 2 Abs. 1 S. 1 EWSG verpflichtet, ihren Letztverbrauchern für jede ihrer Entnahmestellen innerhalb Deutschlands einen einmaligen Entlastungsbetrag gutzuschreiben:
- Hierunter fallen alle Letztverbraucher, die von einem Lieferanten am Stichtag 1. De-zember 2022 über ein Standardlastprofil (sog. SLP) beliefert werden.
- Es werden aber auch Entnahmestellen von Letztverbrauchern erfasst, die mit regist-rierender Leistungsmessung (RLM) abgerechnet werden, wenn der Jahresver-brauch der Entnahmestelle die Grenze von 1,5 Mio. kWh Gas nicht überschreitet (siehe § 2 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 EWSG).
- Ausgenommen sind gem. § 2 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 EWSG solche Entnahmestellen, die Erdgas für den kommerziellen Betrieb von Strom- und Wärmeerzeugungsanlagen beziehen sowie nach § 2 Abs. 1 S. 3 Nr. 3 EWSG zugelassene Krankenhäuser. Nach der Begründung zum Gesetzentwurf weiterhin ausgenommen sind wegen der BKR-Kleinbeihilfenregelung solche Unternehmen, gegen die EU-Sanktionen verhängt wurden.
- Als Ausnahme zu der 1,5 Mio. kWh-Grenze sollen aber im Gesetz ausdrücklich be-nannte Entnahmestellen von Letztverbrauchern verbrauchsunabhängig von der Soforthilfe profitieren. Nach § 2 Abs. 1 S. 4 EWSG werden so Entnahmestellen pri-vilegiert, deren Bezug von Erdgas weit überwiegend im Zusammenhang mit der Vermietung von Wohnraum oder als Wohnungseigentümergemeinschaft erfolgt. Darüber hinaus werden bestimmte soziale Dienstleister privilegiert, etwa zugelas-sene Pflege-, Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen, Kindertagesstätten und weitere Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, die im Aufgabenbereich des Sozialgesetzbuchs soziale Leistungen erbringen. Auch werden staatliche, staatlich anerkannte oder gemeinnützige Einrichtungen des Bildungs-, Wissenschafts- und Forschungsbereichs sowie Einrichtungen der medizinischen Rehabilitation (ohne zugelassene Krankenhäuser zu sein) und der beruflichen Rehabilitation im Sinne des § 51 SGB IX begünstigt. Auch andere soziale Dienstleister wie Werkstätten für Menschen mit Behinderungen nach § 219 SGB IX oder Leistungserbringer der Ein-gliederungshilfe nach Teil 2 des SGB IX erhalten die Soforthilfe.
Entsprechend zu § 2 EWSG werden im Bereich Wärmelieferung alle Kunden erfasst, die mit einem Wärmeversorgungsunternehmen einen Wärmeliefervertrag abgeschlossen ha-ben und deren Jahresverbrauch gemäß § 4 Abs. 1 S. 3 EWSG die Grenze von 1,5 Mio. kWh Wärme nicht überschreitet. Unabhängig vom Jahresverbrauch sind solche Kunden erfasst, die die bezogene Wärme im Zusammenhang mit der Vermietung von Wohnraum an ihre Mieter weitergeben. Des Weiteren sind – identisch zu der Regelung im Gasbereich – die oben benannten Letztverbraucher, wie etwa staatliche, staatlich anerkannte oder ge-meinnützige Einrichtungen des Bildungs- Wissenschafts- und Forschungsbereichs und soziale Dienstleister, verbrauchsunabhängig privilegiert.
RLM-Kunden müssen nach § 2 Abs. 1 S. 5 EWSG dem Erdgaslieferanten ihre Berechti-gung in Textform bis zum 31. Dezember 2022 anzeigen, um von der Soforthilfe zu profitie-ren. Lassen RLM-Kunden die Frist verstreichen, dürfte ein Anspruch auf die Entlastung nicht bestehen.
II. Pflichten der Lieferanten/Versorgungsunternehmen
Die Soforthilfe soll von Gaslieferanten und Wärmeversorgungsunternehmen gewährt wer-den, schätzungsweise sind etwa 1.500 Unternehmen betroffen.
1. Entlastungsverpflichtung
Die Entlastungverpflichtung der Erdgaslieferanten und Wärmeversorger bezieht sich auf Dezember 2022 und gilt unabhängig davon, ob der Kunde sich im Zahlungsverzug befin-det oder nicht. Eine Aufrechnung ist nicht möglich (siehe § 2 Abs. 4 S. 4 EWSG (Gas) und § 4 Abs. 1 S. 4 EWSG (Wärme)).
Die Entlastungsverpflichtung ist für Gas und Wärme unterschiedlich ausgestaltet:
- Gem. § 2 EWSG sind Erdgaslieferanten verpflichtet, den Letztverbrauchern für jede ihrer Entnahmestellen in der Bundesrepublik Deutschland einen einmaligen Ent-lastungsbetrag gutzuschreiben. Für die Betroffenen entfällt damit die Pflicht, die vertraglich vereinbarten Abschlagszahlungen für den Monat Dezember zu leisten.
- Das Gesetz sieht notwendigerweise eine Differenzierung hinsichtlich der SLP- und RLM-gemessenen Kunden vor. Für SLP-gemessene Kunden soll es nach § 3 EWSG eine vorläufige Leistung geben. Die Entlastung für Letztverbraucher, die im Wege einer RLM-Messung beliefert werden, kann hingegen unmittelbar auf Grundlage von § 2 EWSG als endgültige Leistung erfolgen. Dabei wird davon ausgegangen, dass RLM-Kunden auf der Grundlage monatlicher Messungen auch monatlich abgerechnet werden.
- Der Entlastungsbetrag setzt sich aus zwei Komponenten zusammen. Zum einen enthält der Entlastungsbetrag ein arbeitsbezogenes Preiselement, den Arbeitspreis, und einen Anteil der anderen Preiselemente, die auch den Leistungspreis umfassen. Die anderen Preiselemente fließen in die Ermitt-lung des Entlastungsbetrags ein, soweit sie nach dem Erdgasliefervertrag anteilig für Dezember 2022 anfallen. Für einen SLP-Kunden ist vorgesehen, dass ein Zwölftel des Jahresverbrauchs, den der Erdgaslieferant für die Entnahmestelle im Monat September 2022 prognostiziert hat, mit dem Ar-beitspreis multipliziert wird, der für den Monat Dezember 2022 zwischen Letztverbraucher und Erdgaslieferant vereinbart wurde. Bei RLM-Kunden hat der Erdgaslieferant für die Ermittlung des Verbrauchs, der in die Kalkula-tion des arbeitsbezogenen Preiselements einfließt, auf ein Zwölftel der vom Messstellenbetreiber gemessenen Netzentnahme der Monate November 2021 bis einschließlich Oktober 2022 abzustellen.
- Bei der Wärmeversorgung erfolgt die Entlastung durch eine pauschale Zahlung, die sich aufgrund anderer Vertragsstrukturen als bei Gas an der Höhe des im Septem-ber 2022 vom Kunden gezahlten Abschlags bemisst. Wärmeversorgungsunterneh-men sind nach § 4 Abs. 1 EWSG verpflichtet, ihren Kunden für deren im Dezember 2022 zu leistende Zahlungen für Wärmelieferungen eine finanzielle Kompensation nach Maßgabe des Abs. 3 der Vorschrift bis spätestens zum 31. Dezember 2022 zu leisten. Das Wärmeversorgungsunternehmen hat aber ein Wahlrecht im Hinblick auf die konkrete Umsetzung. Es ist berechtigt, zwischen dem Verzicht auf eine im Dezember fällige Voraus- oder Abschlagszahlung des Kunden, einer Zahlung an den Kunden oder einer Kombination aus beiden Elementen zu wählen.
- In § 5 EWSG finden sich umfangreiche Spezialregeln zu der Weitergabe der Entlas-tung bei Miet- und Pachtverhältnissen.
2. Informationspflicht
Nach § 2 Abs. 4 S. 1 EWSG sind Erdgaslieferanten verpflichtet, bis zum 21. November 2022 auf ihrer Website über die Soforthilfe zu informieren:
- Die Information muss einfach auffindbar sein, das heißt auf der Website am besten an prominenter Stelle hervorgehoben werden.
- Inhaltlich ist allgemein und umfassend darüber aufzuklären, dass und wie die ein-malige Entlastung nach Maßgabe der § 2 Abs. 1 bis 3 und des § 3 EWSG erfolgt. Das schließt eine Aufklärung über den Kreis der Begünstigten ein. Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass das Energiesparen infolge der Übernahme einer Ab-schlagszahlung – nicht einer Rechnung – für den Monat Dezember 2022 sich wei-ter kostensparend auswirkt und die Entlastung aus Mitteln des Bundes finanziert wird.
- Dagegen entfallen alle andere Informationspflichten, wie gemäß § 2 Abs. 4 S. 3 EWSG klargestellt wird. Dies macht die Informationspflichten aus § 5 Abs. 2 und Abs. 3 GasGVV und § 41 Abs. 5 EnWG entbehrlich.
Wärmelieferanten trifft eine vergleichbare Informationspflicht. Sie müssen nach § 4 Abs. 4 S. 1 EWSG binnen zwei Wochen nach Inkrafttreten des EWSG ihre Kunden verständlich über die Soforthilfe und den Kreis der Begünstigten informieren. Dies kann – wie bei Erd-gaslieferanten – über die Website oder per brieflicher Mitteilung geschehen. Es ist nach Satz 2 auch über die nach § 9 Abs. 5 Nr. 3 EWSG an den Beauftragten zu übermittelnden Daten aufzuklären und darauf hinweisen, dass die Entlastung aus Mitteln des Bundes finanziert wird.
III. Erstattungsansprüche der Lieferanten/Versorgungsunternehmen
Um die Entlastung für den Monat Dezember zu finanzieren, haben die Energielieferanten und Wärmeversorgungsunternehmen ihrerseits einen Erstattungs- oder einen Vorauszah-lungsanspruch gegen die Bundesrepublik Deutschland:
- Für Erdgas- und Wärmelieferanten, die nach den §§ 2 und 4 EWSG zu Entlastun-gen verpflichtet sind, ist in § 6 S. 1 EWSG ein Erstattungsanspruch in Höhe der ge-leisteten Entlastungen vorgesehen.
- In § 7 S. 1 EWSG wird für Erdgaslieferanten in Höhe der Entlastungsbeträge nach § 2 Abs. 2 S. 4 und S. 5 und der gem. § 3 EWSG gewährten vorläufigen Leistungen ein Vorauszahlungsanspruch normiert, um Liquiditätslücken zu vermeiden. Das er-fasst die Abschläge von Letztverbrauchern und bei RLM-gemessenen Kunden die rechnerische Netzentnahme eines Monats. Hat der Erdgaslieferant keinen Voraus-zahlungsantrag gestellt, gewährt aber Entlastungen nach § 2 EWSG, kann er den Erstattungsanspruch bis zum 31. Mai 2024 im Wege eines Auszahlungsantrags nach § 10 Abs. 3 S. 1 EWSG geltend machen.
IV. Antragsverfahren für Lieferanten/Versorgungsunternehmen
Die Ausgleichsansprüche gegen die Bundesrepublik Deutschland werden per Antrag gel-tend gemacht:
- Zur Verwirklichung des Vorauszahlungsanspruchs nach § 7 S. 1 EWSG ist zwi-schen dem Vorauszahlungsantrag gem. § 8 Abs. 1, 2 EWSG und dem Prüfantrag nach § 8 Abs. 4, 5 EWSG zu unterscheiden:
- Zur Geltendmachung ihres Vorauszahlungsanspruchs müssen die Liefe-ranten gem. § 8 Abs. 1 EWSG über das Kreditinstitut nach Absatz 2 Satz 1 Nr. 2, das regelmäßig ihre Hausbank sein wird, einen schriftlichen oder elektronischen Vorauszahlungsantrag bei der KfW stellen. Er muss die Hö-he der beantragten Vorauszahlung sowie die IBAN eines auf den Namen des Lieferanten lautenden Zahlungskontos bei einem Kreditinstitut mit Sitz oder Niederlassung in Deutschland enthalten, § 8 Abs. 2 S. 1 EWSG. Dem Vorauszahlungsantrag ist der Ergebnisbericht der Überprüfung im Sinne des § 8 Abs. 4 S. 4 EWSG beizufügen.
- Dem Auszahlungsverfahren des § 8 Abs. 1 bis 3 EWSG geht ein Prüfverfah-ren durch einen von dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klima-schutz Beauftragten (vgl. § 1 Abs. 4 S. 1 EWSG) nach den § 8 Abs. 4 und 5 EWSG voraus. Die Aufgabe des Beauftragten i. S. d. EWSG ist vom BMWK der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC zugewiesen worden. Diese soll zunächst lediglich eine eingeschränkte Identitätsprüfung und Plausibilitäts-kontrolle der beantragten Erstattungssumme durchführen, um im Dezember die schnelle Auszahlung zu gewährleisten. Der Beauftragte gilt regelmäßig als von dem Antragsteller bevollmächtigt, nach Abschluss der Prüfung im Namen des Antragstellers den Vorauszahlungsantrag des § 8 Abs. 1 EWSG zu stellen, wenn es keine Beanstandungen gibt. Im Regelfall prüft der Be-auftragte die Höhe und Voraussetzungen einer Auszahlung und übermittelt den Antrag dann über die Hausbank des Erdgaslieferanten in dessen Na-men an die KfW, die als Zahlstelle fungiert.
- Haben Erdgaslieferanten eine Vorauszahlung erhalten, müssen sie nach-gelagert eine Endabrechnung nach § 10 EWSG vorlegen, um Differenzen zwischen der Vorauszahlung und dem tatsächlichen Erstattungsanspruch im Sinne des § 6 S. 1 EWSG in Form von Nach- oder Rückzahlungen aus-gleichen zu können.
- Für Wärmeversorgungsunternehmen sieht § 9 EWSG einen Erstattungsantrag für ihren Erstattungsanspruch gem. § 6 S. 1 EWSG vor. Das Antragsverfahren für den Erstattungsantrag ist entsprechend zu § 8 EWSG ausgestaltet. Ist ein Unternehmen Erdgaslieferant und Wärmeversorger zugleich, kann der Vorauszahlungsantrag nach § 8 EWSG mit dem Erstattungsantrag aus § 9 EWSG nach Maßgabe des § 9 Abs. 6 EWSG zusammengefasst werden. Gleiches gilt für die jeweiligen Prüfanträ-ge. Wärmeversorgungsunternehmen, die eine Erstattungszahlung nach § 9 EWSG erhalten haben, trifft gemäß § 10 EWSG ebenfalls die Verpflichtung ihre An-spruchsberechtigung abschließend nachzuweisen.
Für die Erfüllung der Verpflichtungen durch Lieferanten und Versorgungsunternehmen gemäß § 10 EWSG besteht eine Ausschlussfrist bis zum Ablauf des 31. Mai 2024.
V. Mitwirkung von Kreditinstituten und der BNetzA
Das EWSG verpflichtet in § 13 Kreditinstitute, Vorauszahlungsanträge sowie Auszah-lungsanträge der Lieferanten zusammen mit den Ergebnisberichten an die KfW zu übermit-teln. Die Übermittlungspflicht der Kreditinstitute umfasst zudem auch die Ergebnisse der den Kreditinstituten nach den §§ 10 bis 15 GWG obliegenden geldwäscherechtlichen Pflichten sowie ihrer sanktionsrechtlichen Prüfungspflichten.
Die BNetzA ist verpflichtet, das Verfahren zu unterstützen. Sie hat dem Beauftragten ihr vorliegende Informationen über Erdgaslieferanten zu übermitteln, soweit dies für Antrags-prüfungen und sonstigen Prüfungshandlungen erforderlich ist.
VI. Ausblick
Auch wenn noch wichtige Fragen unbeantwortet sind: Das Gesetz ist in Rekordgeschwin-digkeit verabschiedet worden. Am 10. November 2022 hat der Bundestag in zweiter und dritter Lesung über das Gesetz entschieden. Am 14. November 2022 hat der Bundesrat in einer Sondersitzung dem Gesetz zugestimmt, ohne dass zuvor Ausschussberatungen stattgefunden haben. Nach Unterzeichnung durch den Bundespräsidenten und nach der Verkündung im Bundesgesetzblatt wird das Gesetz in Kraft treten. Ziel des BMWK ist es, dass bereits ab dem 17. November 2022 Anträge der Erdgas- und Wärmeversorger möglich sind.
Allerdings ist die Soforthilfe nach dem EWSG nur der erste Schritt zur Abfederung der er-heblichen Belastungen durch die stark gestiegenen Energiepreise. Weitere Instrumente sind die Preisbremsen für Strom und Gas.
Den bislang womöglich gewichtigsten Entscheidungen in der Energiekrise wurde nun der Weg geebnet: Mit der Anpassung des Stabilisierungsfondsgesetz (StFG) vom 28. Oktober 2022 sicherte der Bund die finanziellen Mittel für die Umsetzung der kostspieligen Gas- und Strompreisbremse durch die Möglichkeit zur Aufnahme neuer Kredite in Höhe von 200 Mrd. Euro und macht damit den „Doppel-Wumms“ möglich. Allein für das Jahr 2023 wird im entsprechenden Wirtschaftsplan offenbar ein Betrag in Höhe von ca. 83,3 Mrd. Euro für die Umsetzung der Gas- und Strompreisbremse angesetzt, die Strompreisbremse sowie die Dämpfung der Stromnetzentgelte sollen daneben durch die Abschöpfung sogenannter „Zufallsgewinne“ im Bereich der Stromerzeugung finanziert werden.
Jeder Gas- und Stromverbraucher soll profitieren
Die mit den Preisbremsen und -dämpfungen bezweckte Entlastung soll – wie auch öffentlichkeitswirksam in dem Beschluss des Bundeskanzlers und der Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder vom 2. November 2022 mitgeteilt wurde – praktisch allen Letztverbrauchern zugutekommen. Neben Haushaltkunden werden daher auch kleine, mittlere und große Unternehmen vergünstigte Preise erhalten. Zu dem Empfängerkreis können – so der Entwurf zur Änderung des Stabilisierungsfondsgesetzes – beispielsweise auch Vereine, soziale Dienstleister oder Stadtwerke ungeachtet ihrer jeweiligen Rechtsform gehören. Wer genau und nach welchen Maßgaben begünstigt ist, wird erst in den konkreten Maßnahmen und Programmen festgelegt werden.
Ausgestaltung der Gas- und Strompreisbremse
Ein Regierungsentwurf für die Gas- und Strompreisbremse selbst existiert noch nicht. Am 31. Oktober 2022 legte allerdings die ExpertInnen-Kommission Gas und Wärme ihren Abschlussbericht vor. Im Beschluss des Bundeskanzlers und der Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder vom 2. November 2022 schließt sich der Bund den Vorschlägen an und kündigt eine nähere Ausgestaltung der Gas- und Strompreisbremse an, die voraussichtlich am 18. November 2022 in Form eines Regierungsentwurfs auf den Weg gebracht werden soll. Den Schlusspunkt des Gesetzgebungsprozesses soll die Bundesratssitzung am 16. Dezember 2022 setzen. In dem Beschluss vom 2. November 2022 werden die Eckpunkte für die Ausgestaltung der Preisbremsen jedoch bereits umrissen:
Kleine und Mittlere Unternehmen sowie Haushaltskunden
Die Gaspreisbremse soll danach auch Fernwärme erfassen und im Bereich der Kleinen und Mittleren Unternehmen („KMU“) sowie für Haushaltskunden ab März 2023 – jedoch möglichst rückwirkend zum 1. Februar 2023 – bis Ende April 2024 gelten. Als KMU gelten solche Unternehmen, die im Standardlastprofil abgerechnet werden und Unternehmen mit registrierter Leistungsmessung , wenn deren Jahresverbrauch weniger als 1,5 GWh beträgt. Ob insoweit auf die jeweilige Betriebsstätte/Abnahmestelle, das Unternehmen insgesamt oder die Unternehmensgruppe abgestellt werden soll, ist noch nicht verlautbart, für den Kreis der Berechtigten aber von entscheidender Bedeutung Die Gaspreisbremse soll für KMU und Haushaltskunden einen Garantiepreis von 12 Cent/kWh (Gas) und 9,5 Cent/kWh (Fernwärme) für 80% ihres Vorjahresverbrauchs gewährleisten. Grundlage hierfür wird die Jahresverbrauchsprognose sein, welche der Abschlagszahlung des Monats September 2022 zugrunde lag. Auf diese Weise sollen alle Verbraucher gleichermaßen entlastet wie auch zu Einsparungen angeregt werden, denn der Garantiepreis gilt nur bis zur Ausschöpfung des Kontingents und liegt zudem deutlich über den Preisen für Gas und Fernwärme in der Vergangenheit.
Die Strompreisbremse soll bereits ab dem 1. Januar 2023 wirken und ebenfalls bis April 2024 gelten. Für KMU und Haushaltskunden wird sie analog zur Gaspreisbremse ausgestaltet. Dies bedeutet, dass ein Kontingent von 80% des Jahresverbrauchs, das ebenso wie bei der Gaspreisbremse auf der Jahresverbrauchsprognose beruht, die für die Abschlagszahlung September 2022 zugrunde gelegt wurde, zu einem Garantiepreis von maximal 40 Cent/kWh abgerechnet wird.
Industrie- bzw. Großunternehmen
Für Industrieunternehmen greift die Gaspreisbremse zum 1. Januar 2023 und gilt ebenfalls bis Ende April 2024. Der Begriff „Industrieunternehmen“ meint sämtliche Großunternehmen mit einem Jahresverbrauch von mehr als 1,5 GWh. Für diese soll ein Garantiepreis von 7 Cent/kWh (netto) für ein Kontingent in Höhe von 70% der historischen Verbrauchsmenge, bemessen nach dem Verbrauch im Zeitraum November 2021 bis Oktober 2022 gewährleistet werden. Voraussetzung dieser Entlastung soll eine Anzeige bei dem jeweiligen Energielieferanten sein, die zu veröffentlichen ist.
Die Strompreisbremse wird für Großunternehmen ebenfalls ab dem 1. Januar 2023 bis Ende April 2024 gelten. Der Strompreis wird für ein Kontigent von 70% des Vorjahresverbrauchs auf einen Betrag von 13 Cent/kWh begrenzt.
Soforthilfe: Übernahme einer Abschlagszahlung für Gas und Fernwärme
Schließlich wurde am 2. November 2022 als Soforthilfe die Übernahme der im Dezember 2022 fälligen Abschlagszahlung für Gas und Fernwärme beschlossen. Diese Übernahme erfolgt allerdings nicht für Großunternehmen mit einem Verbrauch von mehr als 1,5 Gigawattstunden, sondern nur für KMU im Standardlastprofil oder mit registrierter Leistungsmessung, wenn deren Verbrauch unter 1,5 GWh im Jahr liegt. Auch bei KMU sind Strom- und Fernwärmerzeugungsanlagen allerdings ausgenommen. Ebenfalls wird die Abschlagszahlung für Haushaltskunden übernommen. Im Fall von Mietverhältnissen, bei denen jährlich im Wege einer Betriebskostenabrechnung abgerechnet wird, soll eine Gutschrift auf diese erfolgen. Die zeitnahe Umsetzung der Soforthilfe wird über das Erdgas-Wärme-Soforthilfegesetz (EWSG) im Rahmen einer Änderung des ERP-Wirtschaftsplangesetz 2023 erfolgen, für das inzwischen ein Entwurf vorliegt, der am 10. November 2022 im Bundestag und am 14. November 2022 in einer Sondersitzung des Bundesrates verabschiedet werden soll.
Im Ergebnis sind durch die Gas- und Strompreisbremse für sämtliche Bürgerinnen und Bürger sowie für alle Wirtschaftszweige in naher Zukunft starke finanzielle Entlastungen zu erwarten, wenn auch die konkrete gesetzliche Ausgestaltung noch offen ist und die Zeit drängt. Insbesondere stellen sich auch mit Blick auf die Soforthilfe noch zahlreiche Fragen: Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit der Staat die „Rechnung“ für die Abschlagszahlungen im Dezember begleicht? Müssen Nachweise erbracht werden? Wie hoch sind die Abschläge tatsächlich? Wie werden die KMU genau abgegrenzt? Auch bleibt abzuwarten, welche darüber hinausgehenden Entlastungsprogramme umgesetzt und wie diese beihilferechtlich zu beurteilen sein werden.
Für Fragen zu den Preisbremsen oder Hilfsprogrammen stehen wir gerne zur Verfügung.
Am 21. September hat das BMWK eine Ressortabstimmung zur Neukonzeption des zugunsten der Gasimporteure installierten finanziellen Ausgleichs und der Gasbeschaffungsumlage eingeleitet. Die Eckpunkte der Neukonzeption bestehen darin, dass:
- der finanzielle Ausgleich und die Gasbeschaffungsumlage künftig unmittelbar im EnSiG (§§ 26 bis 26i EnSiG-E) geregelt sind und die GasPrAnpV mit Inkrafttreten des überarbeiteten EnSiG außer Kraft tritt.
- der Anwendungsbereich der Gasbeschaffungsumlage eingeschränkt wird und „Tritt-brettfahrer“ ausgeschlossen werden (siehe § 26a Abs. 1a und 1b EnSiG-E). Hierzu werden drei (weitere) Kriterien definiert, die vorab von einem Wirtschaftsprüfer auf Plausibilität hin zu prüfen sind und deren Einhaltung im Nachhinein testiert werden muss (siehe § 26a Abs. 5 bis 5c EnSiG-E): Bedürftigkeit, Marktrelevanz und zusätzliche Eigenbeteiligung des Importeurs.
- die für September und Oktober vorgesehenen Abschlagszahlungen an die antragstellenden Unternehmen auf den 31. Oktober 2022 verschoben werden, um die Reduzierung des Kreises der Antragsberechtigen umsetzen zu können (siehe § 26a Abs. 9 EnSiG-E).
- es nunmehr auch für die Weitergabe der Gasbeschaffungsumlage von den Bilanzkreisverantwortlichen an die Letztverbraucher klare Vorgaben geben soll. Ausweislich § 26h Abs. 2 und 3 EnSiG-E sind Gaslieferanten berechtigt, die Umlage in ihren Gaslieferverträgen mit Letztverbrauchern im Wege einer auf § 315 BGB beruhenden Preisanpassung weiterzugeben. Hiervon erfasst sind auch Festpreisverträge, soweit sie vor dem 15. August 2022 geschlossen wurden (siehe § 26h Abs. 2 Satz 2 EnSiG-E).
- künftig auch Wärmeversorgungsunternehmen die ihrerseits mit der Gasbeschaffungsumlage belastet oder zur Zahlung der saldierten Preisanpassung verpflichtet sind, berechtigt sein sollen, die dadurch entstehenden Mehrkosten in angemessenem Umfang an ihre Kunden weiterzugeben; § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV gilt für derartige Preisanpassungen nicht. Ein Sonderkündigungsrecht steht dem Wärmekunden nur zu, wenn er an ein Wärmenetz mit einer Anschlusskapazität von >20 MW angeschlossen ist (siehe § 26i Abs. 4 EnSiG-E).
Anders als teilweise verlautbart sind die finanzverfassungsrechtlichen Aspekte noch nicht abschließend geklärt. Sie betreffen die Frage, ob die Gasbeschaffungsumlage als (finanzverfassungsrechtlich unzulässige) Sonderabgabe einzustufen ist, wenn der oder die von ihr hauptsächlich profitierenden Gasimporteure solche Unternehmen sind, deren Anteile mehrheitlich vom Bund gehalten werden.
Die Abstimmung mit der EU-Kommission zu beihilferechtlichen Fragen ist ebenfalls noch anhängig. Das Umlagesystem als solches wurde bei der Europäischen Kommission vorsorglich notifiziert, wobei die Bundesregierung davon ausgeht, dass es sich tatbestandlich nicht um eine Beihilfe handelt. Zusätzlich gibt es Einzelnotifizierungen in Bezug auf Ausgleichszahlungen für die einzelnen anspruchsberechtigten Gasimporteure.
Gleichwohl ist geplant, dass die Änderungen am System des finanziellen Ausgleichs und der Gasbeschaffungsumlage in der Kabinettssitzung am 28. September 2022 beschlossen werden. In Kraft treten soll das Gesetz zur Änderung des Energiesicherungsgesetzes und des Energiewirtschaftsgesetzes rückwirkend zum 1. Oktober 2022.
Für vertiefende Fragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gern zur Verfügung. Sprechen Sie uns an!
Das Bundesjustizministerium hat kürzlich einen Referentenentwurf für ein Gesetz zur Beschleunigung von verwaltungsgerichtlichen Verfahren im Infrastrukturbereich vorgelegt. Damit soll insbesondere vor dem Hintergrund der Beschleunigung der Energiewende die Verfahrensdauer an Verwaltungsgerichten reduziert werden.
Neue Gewichtung bei der Vollzugsfolgenabwägung im vorläufigen Rechtsschutz
Der Gesetzgeber plant unter anderen eine neue Gewichtung bei der Vollzugsfolgenabwägung im vorläufigen Rechtsschutz vor Verwaltungsgerichten. Dazu soll in einem neuen § 80c Abs. 4 VwGO geregelt werden, dass Gerichte bei der sog. „Vollzugsfolgenabwägung“ im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes die Bedeutung von Infrastrukturmaßnahmen besonders zu berücksichtigen haben, wenn ein Bundesgesetz feststellt, dass diese im überragenden öffentlichen Interesse liegen. Solche Feststellungen finden sich bereits in verschiedenen Gesetzen, z. B. im Gesetz zum Ausbau von Energieleitungen („EnLAG“).
Damit können zwar Verzögerungen bei der Umsetzung von Infrastrukturprojekten durch Maßnahmen des vorläufigen Rechtsschutzes reduziert werden, ob damit aber auch eine schnellere Projektrealisierung ermöglicht wird, ist offen. Zum Hintergrund: Verwaltungsgerichte müssen im vorläufigen Rechtsschutz nur eine vorläufige Entscheidung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens treffen. Daher wird die Sach- und Rechtslage nur summarisch geprüft. Dennoch lässt diese Prüfung häufig Rückschlüsse auf die richterliche Einschätzung der Sach- und Rechtslage im Hauptsacheverfahren zu. Sofern eine Partei im einstweiligen Rechtsschutz obsiegt, konnte ein Vorhabensträger dies bislang bei seiner weiteren Investitionsentscheidung und Risikobewertung berücksichtigen.
Sollte die Neuregelung in der derzeitigen Fassung verabschiedet werden, besteht das Risiko, dass Gerichte wegen der dann gesetzlich verankerten Vorprägung zwar zu Gunsten des Vorhabensträgers von Infrastrukturprojekten entscheiden und die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen anordnen bzw. wiederherstellen, sich aber im Übrigen nicht zu ihrer Einschätzung der Sach- und Rechtlage äußern. Der Vorhabensträger kann dann aufgrund der aufschiebenden Wirkung der Rechtsmittel zwar mit der Durchführung seines Vorhabens beginnen, muss allerdings mit einem höheren Risiko einer Korrektur der im vorläufigen Rechtsschutz ergangenen Entscheidung rechnen. Im Hauptsacheverfahren gibt es eine gesetzliche Vorprägung zu Gunsten des Vorhabensträgers jedenfalls nicht.
Obligatorischer Erörterungstermin zwei Monate nach Klageerwiderung
Ferner soll zukünftig in § 87c VwGO geregelt werden, dass ein Termin zur Erörterung des Sach- und Streitstands und zur gütlichen Beilegung des Rechtstreits stattfindet, und zwar spätestens zwei Monate nach Klageerwiderung.
Es bleibt abzuwarten, ob die Schaffung eines solchen zusätzlichen obligatorischen Erörterungstermins geeignet ist, eine wesentliche Beschleunigung der gerichtlichen Verfahrensdauer zu bewirken. Dies wird davon abhängen, ob die Verwaltungsgerichte innerhalb dieser Zeit in der Lage sind, sich eine eigene Meinung zum Streitgegenstand zu bilden und in dem frühen Erörterungstermin tatsächlich eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Sach- und Rechtslage stattfinden kann. Eine Alternative zur Schaffung eines zusätzlichen Erörterungstermins und zur ebenfalls neu vorgesehenen Pflicht zur vorrangigen und beschleunigten Durchführung der Verfahren für bedeutsame Infrastrukturvorhaben könnte die Festlegung gesetzlicher Fristen, z. B. für den spätesten Zeitpunkt der Durchführung der mündlichen Verhandlung bei bedeutsamen Infrastrukturvorhaben, sein.
Weitere gesetzliche Möglichkeiten zur Verfahrensbeschleunigung
Schließlich liegen die Probleme, die zur der erheblichen Verfahrensdauer führen, nicht allein im gerichtlichen Verfahren. Der Gesetzgeber hat – über die in diesem Gesetzgebungsverfahren in Rede stehenden Änderungen der verwaltungsprozessualen Vorschriften – die Möglichkeit der Änderung der materiellen Fachgesetze, in denen er die Dauer und das Prüfprogramm der Genehmigungsverfahren anpassen könnte. Über bereits auf den Weg gebrachte Änderungen verschiedener Gesetze haben wir Sie bereits informiert, wie z. B. zuletzt in unserem Briefing vom 7. September 2022 über die dritte Novelle des Energiesicherungsgesetzes (EnSiG). Über weitere Entwicklungen werden wir Sie ebenfalls auf dem Laufenden halten.
Der Gesetzesentwurf zur Beschleunigung von verwaltungsgerichtlichen Verfahren im Infrastrukturbereich ist hier abrufbar und wird nun zunächst innerhalb der Bundesregierung abgestimmt.
Für Fragen zum Inhalt des Gesetzesentwurfes zur Beschleunigung von verwaltungsgerichtlichen Verfahren im Infrastrukturbereich stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.
Die dritte Novelle des Energiesicherungsgesetzes (EnSiG) steht bevor. Seit dem 6. September ist der Referentenentwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Energiesicherungsgesetzes und anderer energiewirtschaftlicher Vorschriften verfügbar. Das Ziel dieses Gesetzes besteht in der Überarbeitung der Regelungen zur Gasbeschaffungsumlage, der Verbesserung der Versorgungssicherheit im Strombereich und der Absicherung der Einspeisung von verflüssigtem Gas im Winter 2022/2023.
Dem Vernehmen nach soll das Gesetz bereits am 14. September 2022 im Kabinett beschlossen werden und im Anschluss an die förmlichen Beratungen im Bundestag und Bundesrat – vorbehaltlich einzelner unter Beihilfevorbehalt stehender Regelungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes – in Kraft treten.
Allgemeines
Die Bewältigung der Energiekrise erfordert weitere Anstrengungen, auch und gerade mit Blick auf den zuletzt stärker in den Fokus gerückten Stromsektor. Mit dem jetzt im Entwurf vorliegenden Regelungspaket geht es vor allem um Maßnahmen zur Stabilisierung der Stromversorgung. Insofern werden das Erneuerbare-Energien-Gesetz, das Energiewirtschaftsgesetz und das Netzausbaubeschleunigungsgesetz Übertragungsnetz um Regelungen ergänzt, die die Rahmenbedingungen für die Nutzung von Biogas und Photovoltaik verbessern, zur Beschleunigung des Stromnetzausbaus sowie zur Erhöhung der Transportkapazitäten des bestehenden Stromnetzes beitragen und zu einer besseren Auslastung der Offshore-Anbindungsleitungen führen sollen.
Außerdem werden der kurzfristige Einsatz von LNG erleichtert und der in der Öffentlichkeit heftig kritisierte Umlagemechanismus des § 26 EnSiG und der Gaspreisanpassungsverordnung (GasPrAnpV) überarbeitet.
Änderungen im Bereich des Energiesicherungsgesetzes
Die Änderungen im Bereich des Energiesicherungsgesetzes beziehen sich zunächst auf die Erleichterung eines Brennstoffwechsels (Fuel Switch). Insofern ist vorgesehen, dass die Möglichkeit, per Rechtsverordnung befristete Abweichungen oder Ausnahmen von den Vorgaben der Betriebssicherheitsverordnung für den Betrieb von Anlagen zulassen zu können, auf die Errichtung und die Änderung von Anlagen erweitert wird.
Außerdem soll das Umlagesystem zur Finanzierung der Ersatzbeschaffungskosten als Reaktion auf die heftige öffentliche Kritik angepasst werden. Insbesondere sind Einschränkungen des Empfängerkreises auf diejenigen Unternehmen vorgesehen, die Anspruch auf finanziellen Ausgleich nach § 2 GasPrAnpV haben. Anspruchsberechtigt sollen künftig nur noch Gasimportunternehmen sein, die
- für die Versorgungssicherheit relevant sind,
- über einen signifikanten Anteil an ausfallenden russischen Gaslieferungen verfügen und zusätzlich
- bestimmte Vorgaben zu Gewinn, Umsatz und Fortführungsprognose erfüllen und bei denen per Wirtschaftsprüferbescheinigung die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit sichergestellt ist sowie auf die Ausschüttung von Boni und Dividenden verzichtet wird.
Offen ist derzeit noch, ob es im Hinblick auf die Weitergabe der Umlage an Letztverbraucher eine ausdrückliche Regelung zu Festpreisverträgen geben wird.
Änderungen im Bereich des Erneuerbare-Energien-Gesetzes
Die Änderungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes betreffen Anpassungen des Rechtsrahmens im Hinblick auf eine Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energien. Künftig müssen Betreiber von Photovoltaik-Neuanlagen bis einschließlich 25 kW installierter Leistung die Wirkleistungseinspeisung ihrer Anlage nicht mehr auf 70% begrenzen oder ihre Anlage mit einer entsprechenden Steuerungseinrichtung ausstatten. Zusätzlich wird diese 70%-Regelung ab dem 1. Januar 2023 bei Photovoltaik-Bestandsanlagen bis einschließlich 7 kW installierter Leistung aufgehoben. Überdies wird für den 15. Januar 2023 eine Krisensonderausschreibung für Solaranlagen des ersten Segments mit einem Volumen von 1.500 MW eingeführt, wobei die bezuschlagte Menge jeweils hälftig vom dritten und vierten Ausschreibungstermin des Jahres abgezogen wird, um das Mengengerüst des Erneuerbare-Energien-Gesetzes unangetastet zu lassen. Geplant sind ferner Regelungen zum Bürokratieabbau, insbesondere hinsichtlich der Besteuerung von Erträgen aus kleinen Photovoltaikanlagen.
Erhöht werden soll auch der Anteil von Biogas. Mit der Ergänzung von § 100 Abs. 16 EEG 2021 wird für die Jahre 2022, 2023 und 2024 eine Sonderregelung für die EEG-Förderung von Biogasanlagen geschaffen. Während der Gaskrise sollen alle Potenziale für eine Steigerung der Biogaserzeugung, z.B. durch den Einsatz weiterer Substrate im Fermenter, und dessen Verstromung ausgeschöpft werden. Außerdem wird für die Zeit bis zum 30. April 2024 der Güllebonus flexibilisiert, so dass die entsprechenden Anlagenbetreiber länger von der zusätzlichen Förderung durch diesen Bonus profitieren.
Änderungen insbesondere im Bereich des Energiewirtschaftsgesetzes und des Netzausbaubeschleunigungsgesetzes Übertragungsnetz
Die Schwerpunkte in diesem Bereich bestehen in Maßnahmen zur Beschleunigung des Stromnetzausbaus, zur Erhöhung der Transportkapazitäten des bestehenden Stromnetzes (Höherauslastung), zur Erleichterung von Errichtung und verbesserter Auslastung der Offshore-Anbindungsleitungen und zur Lastflexibilität industrieller Großverbraucher.
Darüber hinaus wird eine Entschädigungsregelung für den Fall eingeführt, dass dem Betreiber einer Gasspeicheranlage in Folge seiner Verpflichtung zur Aufrechterhaltung des Betriebs der Gasspeicheranlage unbillige wirtschaftliche Härten entstehen. Gedacht ist die Entschädigung für atypische Ausnahmefälle, die als Ultima Ratio nur gewährt wird, wenn ein anderweitiger Ausgleich nicht möglich ist. Schließlich werden Speicherkapazitäten für L-Gas gesichert, solange noch keine vollständige Umstellung von L- auf H-Gas erfolgt ist. Um negative Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit zu vermeiden, haben die Betreiber von Gasspeicheranlagen die vollständige Umstellung einer Gasspeicheranlage auf H-Gas sowie die Reduzierung von bestehenden L-Gas-Speicherkapazitäten bei der Bundesnetzagentur zu beantragen.
Änderungen im Bereich des LNG-Beschleunigungsgesetzes
Im Fokus stehen Verfahrenserleichterungen für die genehmigungsrechtliche Zulassung von LNG-Vorhaben, um eine möglichst hohe Gaseinspeisung an den Standorten Brunsbüttel, Wilhelmshaven und Lubmin im bevorstehenden Winter zu sichern
Am 1. September 2022 ist die Verordnung der Bundesregierung zur Sicherung der Energieversorgung über kurzfristig wirksame Maßnahmen (EnSikuMaV) in Kraft getreten. Die Verordnung zur Sicherung der Energieversorgung über mittelfristig wirksame Maßnahmen (EnSimiMaV) wird alsbald folgen; ihr Inkrafttreten ist für den 1. Oktober 2022 geplant.
Diese Verordnungen ergänzen die Anstrengungen der Bundesregierung zu freiwilligen Energieeinsparmaßnahmen und zielen auf eine Einsparung im Umfang von 2 bis 2,5% des jährlichen Gasverbrauchs in Deutschland. Zur Erreichung dieses Ziels nimmt der Verordnungsgeber aber einen hohen bürokratischen Aufwand in Kauf.
I. Einsparmaßnahmen nach der EnSikuMaV
1. Haushalte
- Mietvertragliche Regelungen über Mindesttemperaturen in Wohnräumen werden ausgesetzt. Damit wird es Mietern ermöglicht, die Raumtemperatur auch dann abzusenken, wenn vertraglich eine höhere Mindesttemperatur vereinbart ist. Die Verantwortung der Mieter für Schäden an der Mietsache bleibt indes bestehen.
- Betreibern privater Schwimm- und Badebecken ist die energieintensive Beheizung dieser Anlagen untersagt. Hiervon nicht betroffen sind Schwimmbecken in Nichtwohngebäuden, die kommerziell betrieben werden und solche für therapeutische Zwecke.
- Zusätzliche Informationspflichten sollen sicherstellen, dass das Signal drastisch gestiegener Gaspreise kurzfristig vom Lieferanten an den Vermieter und vom Vermieter an den Mieter weitergegeben wird, um Endverbraucher zu sparsamem Heizverhalten anzureizen (siehe dazu unter IV.).
2. Öffentliche Hand
- In Nichtwohngebäuden der öffentlichen Hand ist die Beheizung von Gemeinschaftsflächen, die nicht dem dauernden Aufenthalt von Personen dienen, etwa Treppenhäuser, Flure und Lagerräume, ab sofort untersagt. Nicht betroffen sind aber z.B. Toiletten, Teeküchen, Umkleiden und solche Räume, die zum Schutz dort installierter Technik oder gelagerter Gegenstände benötigt werden. Auch Schulen, medizinische Einrichtungen und Asylunterkünfte sind ausgenommen.
- Außerdem wird die Höchsttemperatur in Arbeitsräumen um ein Grad Celsius abgesenkt. Dezentrale Trinkwassererwärmungsanlagen sind, wenn die Warmwasserbereitung überwiegend dem Händewaschen dient, abzuschalten oder die Temperatur auf das hygienische Mindestmaß abzusenken.
- Für Gebäude und Baudenkmäler gilt – mit Ausnahme von Sicherheits- und Notbeleuchtung – ein Verbot der Außenbeleuchtung.
3. Privatwirtschaft
- Auch an Arbeitsstätten der Privatwirtschaft wird die Höchsttemperatur abgesenkt; zugleich gelten die abgesenkten Temperaturwerte aber als Mindesttemperaturen. Ladentüren und Eingangssysteme im Einzelhandel sind geschlossen zu halten.
- Die Nutzung von leuchtenden bzw. lichtemittierenden Werbeanlagen wird von 22 Uhr bis 16 Uhr des Folgetages untersagt. Presseberichten zufolge ist gegen diese Vorgabe bereits Eilrechtsschutz anhängig, nachdem im Entwurf der EnSikuMaV die Nutzungseinschränkung beleuchteter Werbeanlagen nicht bis 16.00 Uhr, sondern nur bis 6.00 Uhr des Folgetags vorgesehen war. Noch offen ist, ob von diesem Verbot auch der Profisport betroffen ist.
II. Einsparmaßnahmen nach der EnSimiMaV
Die EnSimiMaV ergänzt die Einsparvorgaben der EnSikuMaV im Wesentlichen um eine Verpflichtung:
- von Gebäudeeigentümern zur Optimierung der Heizungssysteme, u.a. durch Prüfung des Heizungssystems auf grundlegende Einstellungsmängel,
- von Eigentümern größerer Gebäude, das Heizungssystem hydraulisch abgleichen zu lassen und
- von Unternehmen, die zur Durchführung von Energieaudits nach § 8 des Gesetzes über Energiedienstleistungen und andere Energieeffizienzmaßnahmen (EDL-G) verpflichtet sind oder ein Energie- oder Umweltmanagementsystem eingerichtet und einen jährlichen Gesamtenergieverbrauch von – bezogen auf den Durchschnitt der letzten drei Jahre – mehr als 10 GWh haben, alle konkret identifizierten und als rentabel iSv. § 4 Abs. 1 S. 3 EnSimiMaV durchführbar bewerteten Energieeffizienzmaßnahmen umzusetzen. Speziellere Anforderungen für Anlagen nach § 4 BImSchG gehen vor.
III. Insbesondere: Informationspflichten nach § 9 EnSikuMaV
9 Abs. 1 EnSikuMaV statuiert eine Informationspflicht sowohl für Wärme- als auch für Gaslieferanten. Sie bezieht sich auf von ihnen belieferte (End-)Kunden (Gebäude- und Wohnungseigentümer oder Mieter) und ist bezogen auf den Energieverbrauch und die Energiekosten des Gebäudes in der letzten vorangegangenen Abrechnungsperiode und auf eine hierauf bezugnehmende Projektion der Energiekosten für die kommende Abrechnungsperiode. Zugrunde zu legen ist der am 1. September 2022 gültige Gaspreis des örtlichen Grundversorgers für Neukunden. Aus dem Durchschnittsverbrauch der letzten Abrechnungsperiode und dem aktuellen Energiepreis werden die voraussichtlichen Kosten für die kommende Abrechnungsperiode errechnet. Ihnen gegenüberzustellen ist das rechnerische Einsparpotenzial, das sich bei einer Temperaturabsenkung von 1 Grad Celsius ergibt.
Die Umsetzungsfrist für diese Informationspflicht beträgt einen Monat ab Inkrafttreten der Regelung am 1. September 2022. Versorger, die bis zum 30. September 2022 keine derart individualisierten Informationen erstellen können, müssen die Informationen auf typische Verbräuche beziehen und individualisierte Informationen bis 31. Dezember 2022 nachreichen.
Die Informationen sind fortlaufend, ebenfalls binnen eines Monats, zu aktualisieren, wenn sich das Preisniveau des örtlichen Gas-Grundversorgers erheblich ändert. Die Verordnung lässt offen, wann von einer erheblichen oder signifikanten Preissteigerung auszugehen ist.
9 Abs. 2 und 3 EnSikuMaV statuieren Informationspflichten für Eigentümer von Wohngebäuden, die leitungsgebunden mit Gas oder mit Wärme beliefert werden und über mindestens zehn Wohneinheiten verfügen. Sie beziehen sich für gewerbliche Vermietungen auf die Weiterleitung der vom Wärme- oder Gaslieferanten übermittelten Informationen an die Nutzer. Allerdings sind die Informationen zuvor entsprechend den Verbräuchen jeder Wohneinheit spezifisch aufzubereiten. Weitergehend ist für alle Eigentümer von Wohngebäuden mit mindestens zehn Wohneinheiten vorgesehen, dass diese die Nutzer auf zusätzliche Möglichkeiten zur Einsparung von Wärme hinweisen müssen, etwa durch den Verweis auf die Informationskampagne des BMWK „80 Millionen gemeinsam für Energiewechsel“. Ergänzt werden diese Verpflichtungen der Eigentümer um solche der Vermieter, die erhaltenen Informationen an die Mieter weiterzuleiten.
Offen ist die Rechtsfolge von Verstößen gegen Informationspflichten nach § 9 EnSikuMaV. § 15 Abs. 1 Nr. 1 EnSiG dürfte mangels Verweises auf die Bußgeldvorschriften des EnSiG jedenfalls nicht gelten.
Für Fragen zum Inhalt der EnSikuMaV und/oder zum Inhalt des Entwurfs der EnSimiMaV stehen wir gern zur Verfügung.