Energiekrise – Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung von verwaltungsgerichtlichen Verfahren im Infrastrukturbereich

September 2022
Sonja Röder
Energiekrise –  Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung von verwaltungsgerichtlichen Verfahren im Infrastrukturbereich

Das Bundesjustizministerium hat kürzlich einen Referentenentwurf für ein Gesetz zur Beschleunigung von verwaltungsgerichtlichen Verfahren im Infrastrukturbereich vorgelegt. Damit soll insbesondere vor dem Hintergrund der Beschleunigung der Energiewende die Verfahrensdauer an Verwaltungsgerichten reduziert werden.

Neue Gewichtung bei der Vollzugsfolgenabwägung im vorläufigen Rechtsschutz

Der Gesetzgeber plant unter anderen eine neue Gewichtung bei der Vollzugsfolgenabwägung im vorläufigen Rechtsschutz vor Verwaltungsgerichten. Dazu soll in einem neuen § 80c Abs. 4 VwGO geregelt werden, dass Gerichte bei der sog. „Vollzugsfolgenabwägung“ im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes die Bedeutung von Infrastrukturmaßnahmen besonders zu berücksichtigen haben, wenn ein Bundesgesetz feststellt, dass diese im überragenden öffentlichen Interesse liegen. Solche Feststellungen finden sich bereits in verschiedenen Gesetzen, z. B. im Gesetz zum Ausbau von Energieleitungen („EnLAG“).

Damit können zwar Verzögerungen bei der Umsetzung von Infrastrukturprojekten durch Maßnahmen des vorläufigen Rechtsschutzes reduziert werden, ob damit aber auch eine schnellere Projektrealisierung ermöglicht wird, ist offen. Zum Hintergrund: Verwaltungsgerichte müssen im vorläufigen Rechtsschutz nur eine vorläufige Entscheidung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens treffen. Daher wird die Sach- und Rechtslage nur summarisch geprüft. Dennoch lässt diese Prüfung häufig Rückschlüsse auf die richterliche Einschätzung der Sach- und Rechtslage im Hauptsacheverfahren zu. Sofern eine Partei im einstweiligen Rechtsschutz obsiegt, konnte ein Vorhabensträger dies bislang bei seiner weiteren Investitionsentscheidung und Risikobewertung berücksichtigen.

Sollte die Neuregelung in der derzeitigen Fassung verabschiedet werden, besteht das Risiko, dass Gerichte wegen der dann gesetzlich verankerten Vorprägung zwar zu Gunsten des Vorhabensträgers von Infrastrukturprojekten entscheiden und die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen anordnen bzw. wiederherstellen, sich aber im Übrigen nicht zu ihrer Einschätzung der Sach- und Rechtlage äußern. Der Vorhabensträger kann dann aufgrund der aufschiebenden Wirkung der Rechtsmittel zwar mit der Durchführung seines Vorhabens beginnen, muss allerdings mit einem höheren Risiko einer Korrektur der im vorläufigen Rechtsschutz ergangenen Entscheidung rechnen. Im Hauptsacheverfahren gibt es eine gesetzliche Vorprägung zu Gunsten des Vorhabensträgers jedenfalls nicht.

Obligatorischer Erörterungstermin zwei Monate nach Klageerwiderung

Ferner soll zukünftig in § 87c VwGO geregelt werden, dass ein Termin zur Erörterung des Sach- und Streitstands und zur gütlichen Beilegung des Rechtstreits stattfindet, und zwar spätestens zwei Monate nach Klageerwiderung.

Es bleibt abzuwarten, ob die Schaffung eines solchen zusätzlichen obligatorischen Erörterungstermins geeignet ist, eine wesentliche Beschleunigung der gerichtlichen Verfahrensdauer zu bewirken. Dies wird davon abhängen, ob die Verwaltungsgerichte innerhalb dieser Zeit in der Lage sind, sich eine eigene Meinung zum Streitgegenstand zu bilden und in dem frühen Erörterungstermin tatsächlich eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Sach- und Rechtslage stattfinden kann. Eine Alternative zur Schaffung eines zusätzlichen Erörterungstermins und zur ebenfalls neu vorgesehenen Pflicht zur vorrangigen und beschleunigten Durchführung der Verfahren für bedeutsame Infrastrukturvorhaben könnte die Festlegung gesetzlicher Fristen, z. B. für den spätesten Zeitpunkt der Durchführung der mündlichen Verhandlung bei bedeutsamen Infrastrukturvorhaben, sein. 

Weitere gesetzliche Möglichkeiten zur Verfahrensbeschleunigung

Schließlich liegen die Probleme, die zur der erheblichen Verfahrensdauer führen, nicht allein im gerichtlichen Verfahren. Der Gesetzgeber hat – über die in diesem Gesetzgebungsverfahren in Rede stehenden Änderungen der verwaltungsprozessualen Vorschriften – die Möglichkeit der Änderung der materiellen Fachgesetze, in denen er die Dauer und das Prüfprogramm der Genehmigungsverfahren anpassen könnte. Über bereits auf den Weg gebrachte Änderungen verschiedener Gesetze haben wir Sie bereits informiert, wie z. B. zuletzt in unserem Briefing vom 7. September 2022 über die dritte Novelle des Energiesicherungsgesetzes (EnSiG). Über weitere Entwicklungen werden wir Sie ebenfalls auf dem Laufenden halten.

Der Gesetzesentwurf zur Beschleunigung von verwaltungsgerichtlichen Verfahren im Infrastrukturbereich ist hier abrufbar und wird nun zunächst innerhalb der Bundesregierung abgestimmt.

Für Fragen zum Inhalt des Gesetzesentwurfes zur Beschleunigung von verwaltungsgerichtlichen Verfahren im Infrastrukturbereich stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.