Beschluss und Ausgestaltung der Gas- und Strompreisbremse

November 2022
LEITFELD Rechtsanwälte
Beschluss und Ausgestaltung der Gas- und Strompreisbremse

Den bislang womöglich gewichtigsten Entscheidungen in der Energiekrise wurde nun der Weg geebnet: Mit der Anpassung des Stabilisierungsfondsgesetz (StFG) vom 28. Oktober 2022 sicherte der Bund die finanziellen Mittel für die Umsetzung der kostspieligen Gas- und Strompreisbremse durch die Möglichkeit zur Aufnahme neuer Kredite in Höhe von 200 Mrd. Euro und macht damit den „Doppel-Wumms“ möglich. Allein für das Jahr 2023 wird im entsprechenden Wirtschaftsplan offenbar ein Betrag in Höhe von ca. 83,3 Mrd. Euro für die Umsetzung der Gas- und Strompreisbremse angesetzt, die Strompreisbremse sowie die Dämpfung der Stromnetzentgelte sollen daneben durch die Abschöpfung sogenannter „Zufallsgewinne“ im Bereich der Stromerzeugung finanziert werden.

Jeder Gas- und Stromverbraucher soll profitieren

Die mit den Preisbremsen und -dämpfungen bezweckte Entlastung soll – wie auch öffentlichkeitswirksam in dem Beschluss des Bundeskanzlers und der Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder vom 2. November 2022 mitgeteilt wurde – praktisch allen Letztverbrauchern zugutekommen. Neben Haushaltkunden werden daher auch kleine, mittlere und große Unternehmen vergünstigte Preise erhalten. Zu dem Empfängerkreis können – so der Entwurf zur Änderung des Stabilisierungsfondsgesetzes – beispielsweise auch Vereine, soziale Dienstleister oder Stadtwerke ungeachtet ihrer jeweiligen Rechtsform gehören. Wer genau und nach welchen Maßgaben begünstigt ist, wird erst in den konkreten Maßnahmen und Programmen festgelegt werden.

Ausgestaltung der Gas- und Strompreisbremse 

Ein Regierungsentwurf für die Gas- und Strompreisbremse selbst existiert noch nicht. Am 31. Oktober 2022 legte allerdings die ExpertInnen-Kommission Gas und Wärme ihren Abschlussbericht vor. Im Beschluss des Bundeskanzlers und der Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder vom 2. November 2022 schließt sich der Bund den Vorschlägen an und kündigt eine nähere Ausgestaltung der Gas- und Strompreisbremse an, die voraussichtlich am 18. November 2022 in Form eines Regierungsentwurfs auf den Weg gebracht werden soll. Den Schlusspunkt des Gesetzgebungsprozesses soll die Bundesratssitzung am 16. Dezember 2022 setzen. In dem Beschluss vom 2. November 2022 werden die Eckpunkte für die Ausgestaltung der Preisbremsen jedoch bereits umrissen:

Kleine und Mittlere Unternehmen sowie Haushaltskunden 

Die Gaspreisbremse soll danach auch Fernwärme erfassen und im Bereich der Kleinen und Mittleren Unternehmen („KMU“) sowie für Haushaltskunden ab März 2023 – jedoch möglichst rückwirkend zum 1. Februar 2023 – bis Ende April 2024 gelten. Als KMU gelten solche Unternehmen, die im Standardlastprofil abgerechnet werden und Unternehmen mit registrierter Leistungsmessung , wenn deren Jahresverbrauch weniger als 1,5 GWh beträgt. Ob insoweit auf die jeweilige Betriebsstätte/Abnahmestelle, das Unternehmen insgesamt oder die Unternehmensgruppe abgestellt werden soll, ist noch nicht verlautbart, für den Kreis der Berechtigten aber von entscheidender Bedeutung Die Gaspreisbremse soll für KMU und Haushaltskunden einen Garantiepreis von 12 Cent/kWh (Gas) und 9,5 Cent/kWh (Fernwärme) für 80% ihres Vorjahresverbrauchs gewährleisten. Grundlage hierfür wird die Jahresverbrauchsprognose sein, welche der Abschlagszahlung des Monats September 2022 zugrunde lag. Auf diese Weise sollen alle Verbraucher gleichermaßen entlastet wie auch zu Einsparungen angeregt werden, denn der Garantiepreis gilt nur bis zur Ausschöpfung des Kontingents und liegt zudem deutlich über den Preisen für Gas und Fernwärme in der Vergangenheit.

Die Strompreisbremse soll bereits ab dem 1. Januar 2023 wirken und ebenfalls bis April 2024 gelten. Für KMU und Haushaltskunden wird sie analog zur Gaspreisbremse ausgestaltet. Dies bedeutet, dass ein Kontingent von 80% des Jahresverbrauchs, das ebenso wie bei der Gaspreisbremse auf der Jahresverbrauchsprognose beruht, die für die Abschlagszahlung September 2022 zugrunde gelegt wurde, zu einem Garantiepreis von maximal 40 Cent/kWh abgerechnet wird.

Industrie- bzw. Großunternehmen

Für Industrieunternehmen greift die Gaspreisbremse zum 1. Januar 2023 und gilt ebenfalls bis Ende April 2024. Der Begriff „Industrieunternehmen“ meint sämtliche Großunternehmen mit einem Jahresverbrauch von mehr als 1,5 GWh. Für diese soll ein Garantiepreis von 7 Cent/kWh (netto) für ein Kontingent in Höhe von 70% der historischen Verbrauchsmenge, bemessen nach dem Verbrauch im Zeitraum November 2021 bis Oktober 2022 gewährleistet werden. Voraussetzung dieser Entlastung soll eine Anzeige bei dem jeweiligen Energielieferanten sein, die zu veröffentlichen ist.

Die Strompreisbremse wird für Großunternehmen ebenfalls ab dem 1. Januar 2023 bis Ende April 2024 gelten. Der Strompreis wird für ein Kontigent von 70% des Vorjahresverbrauchs auf einen Betrag von 13 Cent/kWh begrenzt.

Soforthilfe: Übernahme einer Abschlagszahlung für Gas und Fernwärme 

Schließlich wurde am 2. November 2022 als Soforthilfe die Übernahme der im Dezember 2022 fälligen Abschlagszahlung für Gas und Fernwärme beschlossen. Diese Übernahme erfolgt allerdings nicht für Großunternehmen mit einem Verbrauch von mehr als 1,5 Gigawattstunden, sondern nur für KMU im Standardlastprofil oder mit registrierter Leistungsmessung, wenn deren Verbrauch unter 1,5 GWh im Jahr liegt. Auch bei KMU sind Strom- und Fernwärmerzeugungsanlagen allerdings ausgenommen. Ebenfalls wird die Abschlagszahlung für Haushaltskunden übernommen. Im Fall von Mietverhältnissen, bei denen jährlich im Wege einer Betriebskostenabrechnung abgerechnet wird, soll eine Gutschrift auf diese erfolgen. Die zeitnahe Umsetzung der Soforthilfe wird über das Erdgas-Wärme-Soforthilfegesetz (EWSG) im Rahmen einer Änderung des ERP-Wirtschaftsplangesetz 2023 erfolgen, für das inzwischen ein Entwurf vorliegt, der am 10. November 2022 im Bundestag und am 14. November 2022 in einer Sondersitzung des Bundesrates verabschiedet werden soll.

Im Ergebnis sind durch die Gas- und Strompreisbremse für sämtliche Bürgerinnen und Bürger sowie für alle Wirtschaftszweige in naher Zukunft starke finanzielle Entlastungen zu erwarten, wenn auch die konkrete gesetzliche Ausgestaltung noch offen ist und die Zeit drängt. Insbesondere stellen sich auch mit Blick auf die Soforthilfe noch zahlreiche Fragen: Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit der Staat die „Rechnung“ für die Abschlagszahlungen im Dezember begleicht? Müssen Nachweise erbracht werden? Wie hoch sind die Abschläge tatsächlich? Wie werden die KMU genau abgegrenzt? Auch bleibt abzuwarten, welche darüber hinausgehenden Entlastungsprogramme umgesetzt und wie diese beihilferechtlich zu beurteilen sein werden.

Für Fragen zu den Preisbremsen oder Hilfsprogrammen stehen wir gerne zur Verfügung.