Aktuelles

Baukostenzuschüsse beim Netzanschluss von netzgekoppelten Batteriespeichern
Mai 2025
Philipp Berg

Am 27. Mai 2025 hat der BGH in einem für die Branche der Batteriespeicher wegweisenden Verfahren (EnVR 1/24) darüber verhandelt, ob Netzbetreiber beim Anschluss netzgekoppelter Batteriespeicher weiterhin Baukostenzuschüsse (BKZ) verlangen dürfen und ob hierbei das sog. Leistungspreismodell zur Anwendung gelangen darf. Das Leistungspreismodell hat die Bundesnetzagentur (BNetzA) in ihrem Positionspapier aus dem Jahr 2009 (BK6p-06-003) vorgegeben. Im November 2024 hat die BNetzA dieses Positionspapier geringfügig weiterentwickelt.

Im vom BGH zu entscheidenden Sachverhalt begehrte der Speicherbetreiber für einen netzgekoppelten Batteriespeicher 2021den Anschluss an das örtliche Elektrizitätsverteilernetz. Der Anschlussnetzbetreiber wies dem Speicherbetreiber einen Netzverknüpfungspunkt in der Mittelspannung zu und forderte in diesem Zusammenhang die Zahlung eines BKZ. Diesen berechnete der Netzbetreiber auf Basis des Leistungspreismodells nach Maßgabe des BNetzA-Positionspapiers aus dem Jahr 2009.

Der Speicherbetreiber hält die Erhebung des BKZ auf der Grundlage des (unveränderten) Leistungspreismodells für diskriminierend und sieht einen Verstoß gegen § 17 Abs. 1 S. 1 EnWG. Er wandte sich daher im Wege eines Missbrauchsverfahrens an die BNetzA und beantragte, dem Netzbetreiber die Erhebung des BKZ zu untersagen. Die BNetzA lehnte diesen Antrag ab. Der Speicherbetreiber legte hiergegen Beschwerde zum OLG Düsseldorf ein. Das OLG Düsseldorf folgte der Argumentation des Speicherbetreibers weitgehend und sah eine ungerechtfertigte Gleichbehandlung zum Regelfall einer BKZ-Erhebung. Netzgekoppelte Batteriespeicher unterschieden sich grundlegend von sonstigen Letztverbrauchern. Das OLG Düsseldorf hob den Ablehnungsbeschluss der BNetzA auf und verpflichtete diese, erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden (VI-3 Kart 183/23). Gegen diese Entscheidung hat die BNetzA Rechtsbeschwerde eingelegt. Der BGH hat am 27. Mai 2025 nun in der Sache mündlich verhandelt:

  • Den Ausführungen des BGH in der mündlichen Verhandlung nach scheint dieser geneigt, der Rechtsauffassung der BNetzA zu folgen und den Beschluss des OLG Düsseldorf aufzuheben.
  • Der BGH scheint auch in Fällen von netzgekoppelten Batteriespeichern in der BKZ-Erhebung nach dem Leistungspreismodell keine Diskriminierung und auch kein Erfordernis für die Vornahme von „Rabattierungen“ zu sehen.
  • Der BGH dürfte an seiner bisherigen Rechtsprechung festhalten, der zufolge die „Doppelrolle“ von Batteriespeichern (Erzeuger und Verbraucher) jeweils separat betrachtet werden muss (vgl. zuletzt BGH, Beschl. v. 26.11.2024, EnVR 17/22). Dies gelte auch für die Erhebung des BKZ. Diesbezüglich sei der Batteriespeicher wie ein Letztverbraucher zu betrachten.
  • Der BGH argumentierte dabei auch mit der Höhe der Netzentgelte. Von verringerten BKZ für netzgekoppelte Batteriespeicher profitierten einseitig nur deren Betreiber. Die Gesamtheit der Letztverbraucher habe für die dadurch entstehenden Mehrkosten aufzukommen. Denn nach § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 StromNEV seien BKZ von den Netzkosten in Abzug zu bringen.
  • Die unionsrechtlichen Vorgaben (z.B. Art. 58 Abs. 1 der Richtlinie (EU) 2019/944 und Art. 18 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2019/943) enthielten in Bezug auf die Erhebung von BKZ bei Batteriespeichern nur rudimentäre Regelungen, denen insoweit allenfalls die Qualität von „Zielbestimmungen“ zukomme. Eine Befassung des EuGH im Wege eines Vorabentscheidungsverfahrens sah der BGH in der mündlichen Verhandlung daher nicht als geboten an.

In der Sache bleibt es weiter spannend: Der BGH wird seine Entscheidung am 15. Juli 2025 verkünden. Von ihr dürfte auch abhängen, ob bzw. wie schnell der Gesetzgeber tätig werden wird, um die Integration netzgekoppelter Batteriespeicher in das deutsche Energieversorgungssystem durch klare regulatorische Vorgaben zu fördern.

Weitere Meldungen

Mai 2025
LEITFELD Rechtsanwälte

Wir freuen uns sehr, dass LEITFELD Rechtsanwälte im brandeins Ranking der besten Wirtschaftskanzleien des Jahres 2025 erneut in der höchsten Kategorie für das Rechtsgebiet "Energie" gelistet wurde. Das vollständige Ranking ist abrufbar in der Ausgabe brandeins/thema Superkraft Marketing, Die besten Wirtschaftskanzleien 2025, S. 73.  

Mai 2025
LEITFELD Rechtsanwälte

Aus den Urteilen des Bundesgerichtshofs vom 17. September 2024 (Az. EnZR 57/23 und EnZR 58/23) ergeben sich neue Erkenntnisse für die Behandlung vertragsloser Marktlokationen in der Mittelspannungs- und -druckebene. Im Anschluss an eine Analyse der vorgenannten Entscheidungen (dazu 1.) fassen wir die Konsequenzen für die Praxis (dazu 2.), auch im Verhältnis zwischen Lieferunternehmen und Netzbetreibern (dazu 3.), zusammen. 

1. Urteile des Bundesgerichtshofs vom 17. September 2024

Streitgegenständlich waren Konstellationen, in denen aufgrund eines systembedingten Fehlers des Stromlieferanten die Marktlokationen mehrerer in Mittelspannung belieferter Letztverbraucher vom (Anschluss-)Verteilnetzbetreiber nicht dem Bilanzkreis des Lieferanten zugeordnet wurden. Stattdessen erfolgte die Zuordnung zum Bilanzkreis des Grund- und Ersatzversorgers, der ebenso wie der Lieferant zur Belieferung der betroffenen Letztverbraucher gewillt war.

Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs war diese Zuordnung rechtswidrig. Zwar scheide eine Zuordnung zum Bilanzkreis des Netzbetreibers wegen der entflechtungsrechtlichen Vorgaben aus, und mangels planwidriger Regelungslücke komme auch eine analoge Anwendung der Ersatzversorgungsvorschriften auf die Versorgung von Letztverbrauchern in höheren Netzebenen als der Niederspannung nicht in Betracht. Allerdings müsse sich die Zuordnung danach richten, wer im Einzelfall im Interesse von Netzstabilität und Versorgungssicherheit, aber auch im Interesse der betroffenen Letztverbraucher voraussichtlich am besten in der Lage sei, die Versorgung kurzfristig sicherzustellen. Das sei grundsätzlich derjenige Lieferant, mit dem die letzte vertragliche Lieferbeziehung bestanden habe.

2. Konsequenzen dieser Rechtsprechung für den Umgang mit vertragslosen Entnahmen in der Praxis

Die Urteile des Bundesgerichtshofs vom 17. September 2024 beziehen sich zwar auf die Mittelspannungsebene, gelten aber für vertragslose Entnahmen im Gasbereich, d.h. in der Mitteldruckebene, entsprechend. Für die Strom- und Gaspraxis ergeben sich deshalb folgende Konsequenzen:

a) Mehrere lieferbereite Lieferanten (Lieferantenkonkurrenz)

Zuzuordnen sind unberechtigte Netzentnahmen in der Mittelspannungs- oder der Mitteldruckebene, soweit es um Fälle einer Lieferantenkonkurrenz geht, grundsätzlich demjenigen Lieferanten, mit dem zuletzt eine vertragliche Lieferbeziehung bestanden hat. Nur wenn dieser nicht mehr verfügbar oder seine Lieferfähigkeit nicht hinreichend gewährleistet ist, kommt eine Zuordnung zum Grund- und Ersatzversorger in Betracht.

b) Kein lieferbereiter Lieferant

Ist der vorherige Lieferant (objektiv) lieferfähig, sind unberechtigte Netzentnahmen trotz fehlenden Lieferwillens dem Bilanzkreis des vorherigen Lieferanten zuzuordnen. Eine bilanzielle Zuordnung der entnommenen Strommengen zum vorherigen Lieferanten scheidet hingegen aus, wenn dieser wegen Geschäftsaufgabe, Insolvenz oder Kündigung des Netznutzungs- oder Bilanzkreisvertrags nicht mehr lieferfähig ist. Im letztgenannten Fall sind unberechtigte Netzentnahmen dem für das Gebiet der Marktlokation zuständigen Grund- und Ersatzversorger zuzuordnen.

c) Neukunden und unbekannte Kunden

Geht es um Marktlokationen, für die vor Beginn vertragsloser Entnahmen kein vertragliches oder gesetzliches Lieferverhältnis des Letztverbrauchers vorhanden war (Neukunden), sind die von Neukunden dem Versorgungsnetz entnommenen Strom- oder Gasmengen dem im Gebiet der jeweiligen Marktlokation tätige Grund- und Ersatzversorger zuzuordnen. In Fällen unbekannter Kunden identifiziert der (Anschluss-)Netzbetreiber zwar die vertragslose Marktlokation, nicht aber den Letztverbraucher. Auch unberechtigte Strom- oder Gasentnahmen unbekannter Kunden sind dem jeweils zuständigen Grund- und Ersatzversorger zuzuordnen.

d) Energiediebstahl

Erfolgt der Strom- oder Gasdiebstahl durch Manipulation der Zähleinrichtung an einem regelgerecht eingerichteten Netzanschluss, gelten die Zuordnungsmaßstäbe nach lit. b) entsprechend. Nur wenn es sich um einen Fall des sog. Schwarzbezugs handelt, sind unberechtigte Strom- oder Gasentnahmen dem (Anschluss-)Netzbetreiber zuzuordnen. Ein Verstoß gegen die Grundsätze der Netzentflechtung liegt insofern nicht vor, weil es an einer willentlichen Zurverfügungstellung von Energie durch den Netzbetreiber fehlt.

3. Zum Verhältnis von Lieferant und Netzbetreiber bei nicht lieferbereiten Lieferanten

Die bilanzielle Verantwortlichkeit des (letzten) Lieferanten beschränkt sich auf die Zuordnung der an der jeweiligen Entnahmestelle entnommenen Energie, sie bezieht sich nicht auf die Netznutzung. Dementsprechend ist das Risiko unberechtigter Netzentnahmen von Netzbetreibern und Lieferanten gemeinsam zu bewältigen. Insbesondere bedarf es eines effektiven Unterbrechungsmanagements, um die unverzügliche Umsetzung von Versorgungsunterbrechungen, ggf. auf Anforderung des Lieferanten, gewährleisten zu können.

Mai 2025
LEITFELD Rechtsanwälte

Wir freuen uns sehr, dass unser Kollege Konrad Riemer in die Liste der renommiertesten Anwälte für Kartellrecht der WirtschaftsWoche aufgenommen wurde. Die vollständige Liste finden Sie in Ausgabe Nr. 19/2025, S. 83.

Mai 2025
LEITFELD Rechtsanwälte

BGH-Urteil zur Zulässigkeit von konkludenten Kündigungsausschlüssen in mietvertraglichen AGB

Der BGH hat mit Urteil vom 12. März 2025 (XII ZR 76/24) eine für Grundstückseigentümer und Betreiber von EE-Anlagen gleichermaßen bedeutende Entscheidung getroffen. Er hat klargestellt, dass grundsätzlich auch in formularvertraglichen Nutzungsverträgen (AGB) betreffend die Nutzung von Grundstücken zum Betrieb von EE-Anlagen das Recht zur ordentlichen Kündigung für einen bestimmten Zeitraum vertraglich auch aufgrund einer nur konkludenten Vereinbarung ausgeschlossen werden kann. Diese Frage wurde in der obergerichtlichen Rechtsprechung bislang uneinheitlich beantwortet.

  • Hintergrund ist die branchenübliche Praxis, der zufolge derartige Nutzungsverträge oftmals zwei einander nachgelagerte Vertragsphasen vorsehen: Bis zum Eintritt einer festgelegten Bedingung ist die Laufzeit dieser regelmäßig als Mietverträge zu qualifizierenden Nutzungsverträge unbestimmt und damit unbefristet, weshalb gesetzlich grundsätzlich eine ordentliche Kündigung möglich ist (erste Vertragsphase, § 542 Abs. 1 BGB). Ab dem Eintritt der vereinbarten Bedingung (z.B. Genehmigungserteilung oder Inbetriebnahme der EE-Anlage) ist die Vertragslaufzeit befristet (z.B. entsprechend der Dauer der EEG-Förderung) und beginnt die zweite Vertragsphase. In dieser Phase ist eine ordentliche Kündigung vor Ablauf der Vertragslaufzeit grundsätzlich nicht möglich (§ 542 Abs. 2 BGB).
  • Das Urteil des BGH stärkt durch die Anerkennung von konkludenten Kündigungsausschlüssen auch in formularvertraglichen Nutzungsverträgen grundsätzlich die Rechtsposition von Anlagenbetreibern, die sich Grundstücke für den Betrieb von EE-Anlagen durch den Abschluss von Nutzungsverträgen sichern. Dennoch empfehlen wir Anlagenbetreibern und Investoren dringend, bei der Gestaltung von Nutzungsverträgen für EE-Anlagen (WEA, Solaranlagen etc.) auf klare Regelungen insbesondere zur Vertragslaufzeit, Kündigung und Rücktrittsmöglichkeiten zu achten. Insbesondere für die Zeit bis zum Beginn der bestimmten Vertragslaufzeit (z.B. ab Grundstücksübergabe oder Inbetriebnahme der EE-Anlage) empfiehlt sich ein ausdrücklicher und ggf. befristeter Kündigungsausschluss.

Erleichterte Grundbucheinsichtnahme für Anlagenbetreiber und Projektentwickler

Auch an anderer Stelle hat sich die Rechtslage für Projektentwickler und Betreiber von WEA an Land und Freiflächenanlagen verbessert: Seit dem 1. Mai 2025 ist für diese Marktakteure unter den Voraussetzungen des neuen § 43a Grundbuchverfügung (GBV) eine er-leichterte Einsicht in das Grundbuch möglich:

  • Gemäß dem neuen § 43a GBV liegt ein „berechtigtes Interesse“ an der Einsichtnahme in der Regel bereits dann vor, wenn der Projektierer eine WEA an Land oder eine Solaranlage i.S.d. § 3 Nr. 41a EEG 2023 (insbesondere Freiflächenanlage) mit einer installierten Leistung von mindestens 750 kW errichten oder betreiben möchte.
  • Für die Darlegung, dass der Antragsteller unter Nutzung des Grundstücks WEA an Land oder Solaranlagen i.S.d. § 3 Nr. 41a EEG 2023 oder dazugehörige Nebenanlagen betreiben oder projektieren will, genügt die Vorlage einer Eigenerklärung. Eine Einschränkung erfährt die Novelle allerdings dadurch, dass sich die jeweilige EE-Anlage auf einem Grundstück befinden muss, das sich im Bereich eines beschlossenen Bebauungsplans nach § 30 BauGB (der mit dem Zweck aufgestellt wurde, eine Solaranlage zu errichten), im Außenbereich nach § 35 BauGB oder in einem Windenergiegebiet nach § 2 Nr. 1 des Windenergieflächenbedarfsgesetzes befindet.
April 2025
Dr. Margret Schellberg

Union und SPD haben sich am 9. April 2025 auf einen Koalitionsvertrag geeinigt. Das Papier legt für die kommende Legislaturperiode zentrale Eckpunkte für die Energie- und Klimapolitik der schwarz-roten Koalition fest. Ein erster Überblick über die Themenfelder soll als Einordnung dienen; nach und nach werden wir für Sie die einzelnen Themenkomplexe beleuchten:

Energiepreise

Die Regierungsparteien einigen sich auf das aus den Sondierungsgesprächen bekannte Maßnahmenpaket. Die Senkung der Stromsteuer auf das europäische Mittelmaß soll durch eine Sofortmaßnahme erfolgen und sämtliche Umlagen und Netzentgelte sollen für Unternehmen und Verbraucher dauerhaft gedeckelt werden, um eine Entlastung von mindestens fünf Cent pro kWh zu gewährleisten.

Energieintensive Unternehmen sollen außerdem von der Einführung eines bisher nicht näher konkretisierten Industriestrompreises profitieren. Die Gasspeicherumlage soll vollständig abgeschafft werden; die Befüllung der Speicher soll anders gesichert werden.

Netzausbau

Die Parteien betonen die Relevanz eines effizienten Netzausbaus in Abstimmung mit dem Erneuerbaren-Energien-Ausbau sowie den Smart-Meter Rollout. Übertragungs- und Verteilernetze sollen gestärkt und Effizienzpotenziale sollen u.a. durch die Digitalisierung der Netze gehoben werden. Einen konkreten Zeitplan enthält der Koalitionsvertrag aber noch nicht.

Deutschland besteht aktuell aus einer einheitlichen Stromgebotszone. Während ein Großteil des Stroms im Norden des Landes erzeugt wird, ist der Verbrauch bei Industrie im Süden besonders hoch. Zur Bedarfsdeckung kommen bei Netzengpässen zwischen Nord- und Süddeutschland oft teure Gaskraftwerke zum Einsatz. Die dabei entstehenden Redispatch-Kosten in Milliardenhöhe werden insbesondere auf Verbraucher umgelegt. Diskutiert wurde deshalb eine Teilung des Landes in zwei Stromgebotszonen. Jetzt haben sich die Parteien vorerst darauf geeinigt, dass an einer einheitlichen Zone festgehalten werden soll.  

Die Union setzt sich außerdem bei neu zu planenden Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungsnetzen (HGÜ) durch. Diese sollen nicht als Erdkabel, sondern als Freileitungen umgesetzt werden.

Der in den Verhandlungen bis zuletzt offene Punkt der Gasnetzstilllegung wird nicht im Detail angesprochen. Der Koalitionsvertrag sieht vor, dass lediglich die für eine sichere Wärmeversorgung notwendigen Gasnetze erhalten bleiben sollen.

Erneuerbare Energien und Speicherausbau

Der Ausbau der Erneuerbaren Energien wird fortgesetzt. Solarenergie, Windkraft und Bioenergie sollen systemdienlich ausgebaut werden. Solarenergieanlagen sollen verstärkt mit Speichern gekoppelt und Doppel- und Mehrfachnutzungen, wie etwa Agri-Photovoltaik oder Anlagen auf Parkplätzen, gefördert werden. Bei Windkraft sollen Zwischenziele bis 2027 gehalten und Flächenziele bis 2032 evaluiert werden. Besonderes Augenmerk liegt auf der Synchronisierung mit dem Netzausbau und der kommunalen Akzeptanz. Die Bioenergie soll ihr Flexibilitätspotenzial ausschöpfen, insbesondere bei der Nutzung von Reststoffen. Erneuerbare Energien sollen sich dabei perspektivisch vollständig am Markt refinanzieren lassen, weshalb der Vertrag sich für die Schaffung eines gesicherten Investitionsrahmens bei zugleich verstärkter Einbindung marktwirtschaftlicher Instrumente ausspricht.

Der Koalitionsvertrag spricht sich zudem für eine Flexibilisierung des Strommarkts durch den Speicherausbau aus. Der Speicherausbau soll systemdienlich ausgestaltet werden und es sollen Rechenzentren, Speicher sowie große Erzeuger erneuerbarer Energien netzdienlich angesiedelt werden.

GEG und kommunale Wärmeplanung

Das Heizungsgesetz bzw. das GEG soll laut dem Koalitionsvertrag abgeschafft werden. Das neue Gebäudeenergiegesetz soll technologieoffener, flexibler und einfacher werden. Die erreichbare CO2-Vermeidung soll die Steuerungsgröße werden.

Die Parteien wollen außerdem die Verzahnung von GEG und kommunaler Wärmeplanung vereinfachen. Hierzu möchten sie Spielräume bei der Umsetzung der europäischen Gebäuderichtlinie ausschöpfen. Die Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW) soll gesetzlich geregelt und aufgestockt werden. Die AVB-Fernwärme-Verordnung und die Wärmelieferverordnung sollen zügig überarbeitet und modernisiert werden. Es soll für den Bereich Wärme zudem eine unbürokratische Schlichtungsstelle eingerichtet werden.

Wasserstoff

Der Aufbau einer nationalen Wasserstoffwirtschaft soll schnellstmöglich vorangetrieben werden. Die Regierung plant, Wasserstoff dezentral und systemdienlich zu produzieren und den Ausbau von Importinfrastrukturen konsequent voranzutreiben. Überregulierung soll abgebaut und die Finanzierung von Wasserstoffnetzen gesichert werden, um Deutschland eine führende Rolle innerhalb einer europäischen Wasserstoffinitiative zu sichern. Der Ausbau der Wasserstoffkernnetze soll dabei auch im bei der bisherigen Planung weniger berücksichtigten Osten und Süden Deutschlands vorangetrieben werden.

Kernenergie und Kohle

Die künftige Regierung hält am geplanten Kohleausstieg bis 2038 fest. Die von der Union in den Sondierungsgesprächen erwogene Prüfung, ob eine Wiederaufnahme des Betriebs der abgeschalteten Kernkraftwerke technisch und finanziell vertretbar ist, findet sich im Koalitionsvertrag nicht wieder. Den Zeitplan für den Kohleausstieg sieht der Koalitionsvertrag in Abhängigkeit von der Ausbaugeschwindigkeit steuerbarer Gaskraftwerke.

Kraftwerksstrategie

Bis 2030 sollen bis zu 20 GW neue Gaskraftwerke gebaut werden. Diese Kraftwerke sollen nicht nur Versorgungssicherheit gewährleisten, sondern auch Stromkosten reduzieren und verstärkt bestehende Kraftwerksstandorte nutzen. Dabei sollen die Gaskraftwerke regional nach Bedarfen gesteuert werden. Zudem soll nach dem Willen von Union und SPD ein Technologiemix aus Kraftwerken, Erzeugungsanlagen (Bioenergie und KWK-Anlagen) und Speichern entstehen, um für ausreichend flexible Energiekapazitäten zu sorgen.

Planungs- und Genehmigungsbeschleunigung

Die Parteien erkennen die Relevanz schnellerer Genehmigungsverfahren für die Energiewende. Hierzu zählen neben der Fortführung des Bund-Länder-Prozesses zur Planungs-, Umsetzungs-, und Genehmigungsbeschleunigung eine zügige Umsetzung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie III, Vereinfachungen bei Artenschutzprüfungen und die verstärkte Nutzung von sog. Expertenpools.

Ausblick

Der Koalitionsvertrag adressiert alle wichtigen Themenfelder und sieht zahlreiche Maßnahmen vor. Es liegt in dem Ressort Energie viel Arbeit vor der neuen Regierung. Wie sehr die angekündigten Maßnahmen wirken werden, hängt stark von der konkreten Ausgestaltung der Gesetze in den kommenden Monaten ab. Vorerst laufen noch die finalen Abstimmungen zur Regierungsbildung.

März 2025
Dr. Margret Schellberg

Am 25. März trat der neue Bundestag in einer konstituierenden Sitzung erstmalig zusammen. Seine Arbeit wird er aller Voraussicht nach in der zweiten Aprilwoche aufnehmen. In den Sondierungsgesprächen hat sich die Arbeitsgruppe Klima und Energie bereits auf zahlreiche Positionen einigen können, während bei einigen zentralen Themen noch Klärungsbedarf besteht. Im Fokus stehen Entlastungen für Verbraucher und Wirtschaft, der Ausbau erneuerbarer Energien sowie die Modernisierung der Energieinfrastruktur.

Energiepreise

Union und SPD streben eine dauerhafte Entlastung von Unternehmen und Verbrauchern an. Die Parteien einigten sich auf die Senkung der Stromsteuer auf das europäische Mittelmaß. Außerdem sollen Umlagen und Netzentgelte dauerhaft gedeckelt werden. Das Maßnahmenpaket soll den Strompreis um mindestens fünf Cent pro Kilowattstunde (kWh) senken. Energieintensive Unternehmen sollen außerdem von der Einführung eines bisher nicht näher konkretisierten Industriestrompreises profitieren. 

Auch die Gasspeicherumlage soll für alle abgeschafft werden. Diese liegt derzeit bei rund 0,3 Cent pro kWh Gas. Zudem sollen geeignete Instrumente für eine versorgungssichere und kostengünstigere Befüllung der Gasspeicher eingeführt werden.

Netzausbau

Der kosteneffiziente Netzausbau hat für die Parteien Priorität.

Dabei soll der Ausbau mit dem Erneuerbaren-Ausbau synchronisiert und einem regelmäßigen Monitoring unterzogen werden. Der Smart-Meter-Rollout im Verteilnetz soll beschleunigt und vereinfacht werden. Keine Einigung konnte bisher bezüglich der Stromgebotszonen erzielt werden. Deutschland besteht aktuell aus einer Stromgebotszone. Während ein Großteil des Stroms im Norden des Landes erzeugt wird, ist der Verbrauch bei Industrie im Süden besonders hoch. Zur Bedarfsdeckung kommen hier oft teure Gaskraftwerke zum Einsatz. Die dabei entstehenden Redispatch-Kosten in Milliardenhöhe werden insbesondere auf Verbraucher umgelegt. Diskutiert wird eine Teilung Deutschlands in zwei Gebotszonen.  Die SPD steht einer solchen Überprüfung offen gegenüber, die Union lehnt sie jedoch ab. Noch im Frühjahr wird ein Bericht von ENTSO-E zur Gebotszonenüberprüfung erwartet.

Umstritten ist auch die Frage der Erdverkabelung bei den künftigen HGÜ-Übertragungsnetzen (Hochspannungs-Gleichstrom-Übertagung). Während die SPD am Vorrang für Erdkabel festhalten möchte, bevorzugt die Union wo möglich den Einsatz von Freileitungen.

Keine Einigung konnte bei der Gasnetz-Stilllegung erreicht werden. Die Union möchte die Netze erhalten. Die SPD hingegen hält nur eine Erhaltung der für eine sichere Wärmeversorgung notwendigen Gasnetze für erforderlich. Die Übrigen sollen stillgelegt werden können.

Beim Netzausbau sollen künftig die bessere Verknüpfung zwischen den europäischen Ländern berücksichtigt werden. Die Parteien befürworten die Schaffung einer echten Energieunion zur Entwicklung und Genehmigung gemeinsamer, grenzüberschreitender Energienetze (Strom und Wasserstoff).

Gaskraftwerke

Bis 2030 ist der Bau einer Gaskraftwerksleistung von bis zu 20 GW Leistung geplant.  Sie sollen nicht nur zur Stabilisierung der Spannung, sondern auch zur Reduzierung der Stromkosten eingesetzt werden. 

Gebäudeenergiegesetz

Uneinig sind sich die Parteien über die Zukunft des umstrittenen „Heizungsgesetzes“.  Die im Wahlkampf von der Union versprochene vollständige Abschaffung findet auch innerparteilich wenige Unterstützer. Denkbar erscheint allerdings eine Überarbeitung unter anderem zur Abschaffung von Bürokratie.

Ausstieg aus Kohle- und Atomstrom

Am geplanten Kohleausstieg bis 2038 möchte die künftige Regierung festhalten. Wann die verbleibenden Kraftwerke stillgelegt werden, soll vom Ausbau der Gaskraftwerke abhängen. Anders als nach ersten Sondierungsgesprächen wird nun in den Papieren auch die Kernenergie erwähnt. Mit Hinweis auf die Klimaziele und die Versorgungssicherheit möchte die Union prüfen, ob eine Wiederaufnahme des Betriebs der abgeschalteten Kernkraftwerke technisch und finanziell vertretbar ist.

CO2-Speicherung und Wasserstoffstrategie

Ein "umgehend" zu beschließendes Gesetzespaket soll CO2-Abscheidung und -Speicherung (CCS) ermöglichen – strittig bleibt dessen Anwendungsbereich. Die Union befürwortet eine breite Nutzung für alle Industriebranchen und Gaskraftwerke, die SPD will die Technologie auf schwer vermeidbare Emissionen beschränken. Beim Wasserstoff streben beide Parteien einen schnellen Hochlauf an, wollen "Überregulierung" abbauen und das Wasserstoffkernnetz deutschlandweit ausbauen, wobei Deutschland eine "führende Rolle" in der europäischen Wasserstoffinitiative einnehmen soll.

Klimaschutz – Emissionsreduktion

Die Parteien bekennen sich ausdrücklich zum Pariser Klimaabkommen und zur Klimaneutralität bis 2045. Die SPD unterstützt zusätzlich den bisher noch nicht verabschiedeten europäischen Vorschlag einer Reduktion der Treibhausemissionen bis 2040 um 90 %.

Dabei setzen beide Parteien auf eine Stärkung des europäischen CO2-Emissionshandels. Ab 2027 soll der europäische Handel in das europäische System ETS-2 integriert werden. Eine starke Verteuerung für besonders betroffene Unternehmen und Bürger soll durch Zahlung aus dem europäischen Klimasozialfonds vermieden werden.

Die Union möchte künftig die Anerkennung von CO2-Zertifikaten für Aufforstungen oder Moorwiedervernässungen im europäischen System ETS -1 durchsetzen. Außerdem fordert sie die Möglichkeit Emissionen nach 2038 durch Handel mit ausländischen Zertifikaten ausgleichen zu können. Die SPD lehnt das ab.

Ausblick

Die Koalitionsparteien sind sich bei der Ausrichtung der künftigen Energie- und Klimapolitik weitgehend einig. Nun ist es bei der Fortsetzung der Koalitionsgespräche in der kommenden Woche Aufgabe des Führungspersonals, bei den verbliebenen Streitpunkten eine Einigung zu erzielen.

März 2025
Dr. Margret Schellberg

Die deutsche Energiewirtschaft steht vor einem bedeutenden Wendepunkt. Der Bruch der Ampelkoalition hatte zu einer Hängepartie geführt. Mit der sich formierenden Koalition aus CDU/CSU und SPD könnten nun wichtige energiepolitische Weichen gestellt werden. Die Ergebnisse der Sondierungsgespräche vom 8. März 2025 greifen einige wichtige Themen auf:

Entlastungen bei Energiekosten

In den Sondierungsgesprächen haben die Parteien konkrete Maßnahmen zur Senkung der Energiekosten besprochen: Für alle Kunden soll die Stromsteuer um mindestens fünf Cent pro Kilowattstunde reduziert und die Übertragungsnetzentgelte halbiert werden. Perspektivisch sollen die Übertragungsnetzentgelte dauerhaft gedeckelt werden. Die Parteien streben eine Ausweitung der Regelungen der Strompreiskompensation auf weitere energieintensive Branchen an und wollen die Kompensation insgesamt verlängern. Aus der Sicht der energieintensiven Branchen sind das gute Nachrichten, wenngleich die Maßnahme voraussichtlich noch von der EU-Kommission beihilferechtlich geprüft und genehmigt werden müsste.

Kraftwerksstrategie und Versorgungssicherheit

Ein zentrales Element der künftigen Energiepolitik wird eine neue Kraftwerksstrategie sein. Bis 2030 ist der Zubau von Gaskraftwerken mit einer Leistung von bis zu 20 GW geplant. Vorrangig sollen bestehende Standorte genutzt werden. Damit der Zeitpunkt für den Kohleausstieg nicht gefährdet ist, müsste die Bundesnetzagentur zügig mit der Ausschreibung beginnen können. Bemerkenswert ist, dass Reservekraftwerke künftig nicht nur bei drohenden Versorgungsengpässen zum Einsatz kommen, sondern auch zur Stabilisierung der Strompreise beitragen sollen.

Klimaziele und Innovationen

Trotz der geopolitischen Herausforderungen - insbesondere in den Beziehungen zu den USA unter einer zweiten Trump-Administration - bekennen sich Union und SPD ausdrücklich zu den Klimazielen. Die kürzlich in Kraft getretene Novelle des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes (TEHG) unterstreicht dieses Bekenntnis mit dem Ziel, die Netto-Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55% gegenüber 1990 zu senken. Direkt zu Beginn der Wahlperiode soll ein Gesetzespaket beschlossen werden, das die Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid (CCS) ermöglicht. Zudem soll das Wasserstoffkernnetz bundesweit ausgebaut werden, um auch industrielle Zentren im Süden und Osten anzubinden. Gleichzeitig bekennen sich die Parteien zum notwendigen Stromnetzausbau.

Keine Äußerung zu Atomenergie, GEG und Wärme

Bemerkenswert ist auch, was im Sondierungspapier nicht thematisiert wird: Die im Wahlkampf geforderte Reaktivierung der zuletzt abgeschalteten Kernkraftwerke sowie die Abschaffung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) werden nicht erwähnt. Hier mögen die Parteien Verbesserungspotenzial sehen, eine 180°-Wende ist nicht zu erwarten. Auch für den Bereich der Wärme stehen keine grundsätzlichen Änderungen an; insbesondere ist offenbar bislang keine Fernwärmepreisaufsicht vorgesehen, wie sie zwischenzeitlich gefordert worden war.

Die geplanten Maßnahmen könnten ein wichtiger Schritt sein, um Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit zu stärken und gleichzeitig die Energiewende voranzutreiben. In den nun beginnenden Koalitionsgesprächen wird sich zeigen, wie die künftige Regierung die Umsetzung im Einzelnen plant und ob sie die – politischen und rechtlichen – Schwierigkeiten aus dem Weg räumen kann.

Februar 2025
Philipp Berg

Am 25.02.2025 ist das „Gesetz zur Änderung des Energiewirtschaftsrechts zur Vermeidung von temporären Erzeugungsüberschüssen“ als eines der letzten Gesetzgebungsvorhaben der scheidenden Bundesregierung in Kraft getreten (BGBl. I 2025 Nr. 51). Zur Umsetzung der Vorgaben der novellierten Strombinnenmarktrichtlinie ist nach Maßgabe von § 17 Abs. 2b EnWG n.F. bzw. § 8a EEG 2023 n.F. nunmehr der Abschluss sog. flexibler Netzanschlussvereinbarungen möglich.

  • Der Sache nach betreffen flexible Netzanschlussvereinbarungen Fälle des Netzanschlusses, in denen an einem Netzverknüpfungspunkt die Netzanschlussleistung konstant oder zeitweise unterhalb der installierten Leistung der jeweils errichteten Erzeugungs-, Verbrauchs- oder Speicheranlage liegt. Mit anderen Worten besteht nunmehr die grundsätzliche Möglichkeit, Netzverknüpfungspunkte zu „überbauen“.
    • Für die Umsetzung müssen der Anschlussnehmer bzw. Anlagenbetreiber mit dem jeweils zuständigen Anschlussnetzbetreiber eine sog. flexible Netzanschlussvereinbarung treffen.
    • Der Inhalt von derartigen Vereinbarungen ist unter Beachtung der gesetzlichen Mindestvorgaben in § 17 Abs. 2b S. 3 EnWG bzw. § 8a Abs. 2 EEG 2023 grundsätzlich bilateral zwischen Netzbetreiber und Netzanschlusspetent vor der endgültigen Zusage des Netzanschlusses festzulegen. Vorgaben der Bundesnetzagentur gibt es hierzu bislang nicht.
    • Die Leistungsbegrenzung kann auf einzelne Zeitfenster beschränkt werden und in ihrer Höhe je Zeitfenster variieren. Ausweislich der Gesetzesbegründung sollen insoweit statische, dynamische und volldynamische Begrenzungen der Netzanschlussleistung möglich sein (BT-Drs. 20/14235, 57 und 71 f.).
  • Im Anwendungsbereich von § 8a EEG 2023 besteht nunmehr auch die Möglichkeit zum sog. „cable pooling“. Hierunter sind Fälle zu verstehen, in denen an ein und demselben Netzverknüpfungspunkt unterschiedliche Anlagen ggf. auch unterschiedlicher Anlagenbetreiber zeitgleich angeschlossen sind. Praktisch bedeutsam ist diese Möglichkeit insbesondere für den Anschluss von Solar- und Windenergieanlagen, da diese EE-Anlagen grundsätzlich ein stark komplementäres Einspeiseverhalten haben. So soll bei gleichzeitiger Nutzung eines bestehenden Netzverknüpfungspunkts durch Solar- und Windenergieanlagen in Fällen der Überbauung um 150 % der Stromüberschuss bei unter 1 % liegen.
  • Grundsätzlich dürfte aber sowohl für den jeweiligen Netzbetreiber als auch für den Anschlussnutzer bzw. Anlagenbetreiber keine Pflicht zum Angebot bzw. Abschluss einer flexiblen Netzanschlussvereinbarung bestehen. In den Fällen des § 8a Abs. 3 EEG 2023 muss der Netzbetreiber die Möglichkeit des Abschlusses einer flexiblen Netzanschlussvereinbarung aber proaktiv prüfen und dem Anlagenbetreiber das Ergebnis mitteilen.
  • Ergänzende Folgeänderungen betreffend den Abschluss flexibler Netzanschlussvereinbarungen finden sich insbesondere in § 17 Abs. 4 EnWG sowie in den §§ 8 Abs. 2, 11 Abs. 1 S. 3 EEG 2023.

Mit den Vorschriften zum Abschluss flexibler Netzanschlussvereinbarungen erweitert der Gesetzgeber in Zeiten knapper Netzanschlusskapazitäten die regulatorischen Möglichkeiten zur Realisierung von Netzanschlüssen – auch bereits vor Abschluss des der Energiewende hinterherhinkenden Netzausbaus. Besonders profitieren könnten Vorhaben aus dem Bereich der erneuerbaren Energien sowie zum Einsatz von Stromspeichern. Aufgrund der Art der einfachgesetzlichen Umsetzung der europarechtlichen Vorgaben bleibt es im Wesentlichen aber den beteiligten Marktakteuren – allen voran den Anschlussnetzbetreibern – überlassen, flexible Netzanschlussvereinbarungen zu einem praxistauglichen Instrument werden zu lassen.

Februar 2025
Dr. Konrad Riemer

Wertschöpfungskette

Neben der Monopolkommission hat sich das Bundeskartellamt seit Juli 2020 in einer Sektoruntersuchung mit der Bereitstellung und Vermarktung öffentlich zugänglicher Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge beschäftigt. Im Oktober 2024 hat es seinen Abschlussbericht vorgelegt. Es hat auf allen untersuchten Marktstufen potentielle Wettbewerbsdefizite identifiziert.

Das Bundeskartellamt grenzt u.a. Flächenmärkte, Infrastrukturmärkte und Ladestrommärkte ab.

Flächenmarkt

  • Auf dem Flächenmarkt stehen die Gebietskörperschaften sowie private Flächeninhaber als Anbieter von Flächen den Entwicklern von Ladesäulen als Nachfrager geeigneter Flächen gegenüber.
  • Ob private und öffentliche Flächen einem einheitlichen sachlich relevanten Markt zuzurechnen sind, lässt das Bundeskartellamt offen. Obwohl empirisch die meisten CPOs Ladesäulen sowohl auf privaten als auch auf öffentlichen Flächen errichtet haben, lasse dies keinen Schluss zu, dass die Flächen dem gleichen sachlichen Markt angehörten.
  • Die Märkte für Flächen zur Errichtung öffentlich zugänglicher Normalladeinfrastruktur (bis zu einer Ladeleistung von 22 kW) grenzt das Bundeskartellamt lokal ab, Flächen entlang der Autobahnen streckenbezogen. Bei der räumlichen Marktabgrenzung orientiert sich das Bundeskartellamt am Nachfrageverhalten der E-Fahrzeugnutzer auf dem nachgelagerten Infrastrukturmarkt.  
  • Das Bundeskartellamt bewertet die Einräumung von Nutzungsrechten an öffentlichen Flächen durch Gebietskörperschaften als wirtschaftliche Tätigkeit, die in den Anwendungsbereich des Kartellrechts fällt.
  • Häufig wird mangels ausreichend alternativer privater Flächen die Gebietskörperschaft über eine marktbeherrschende Stellung bei der Einräumung von Nutzungsrechten verfügen. Sie ist dann an die kartellrechtlichen Missbrauchsverbote gebunden und darf andere Unternehmen nicht behindern, diskriminieren oder ausbeuten. Darüber hinaus gilt das Kartellverbot für die vertragliche Flächenüberlassung (kritisch zu bewerten daher Ausschließlichkeitsvereinbarungen / räumliche Wettbewerbsverbote zugunsten eines Ladesäulenentwicklers) sowie für den Informationsaustausch im Rahmen der Flächenvergabe.

Infrastrukturmarkt (CPO-Markt)

  • Der dem Flächenmarkt nachgelagerte Infrastrukturmarkt (CPO- / Ladesäulenmarkt) betrifft den Anschluss an und die physische Nutzungsmöglichkeit von Ladesäulen.
  • Nach Auffassung des Bundeskartellamts stehen dem Ladesäulenbetreiber zwei Kundengruppen gegenüber:
    • (1) E-Fahrzeugnutzer, die physischen Zugang zur Ladesäule begehren;
    • (2) EMP, die Zugang zur Ladesäuleninfrastruktur begehren, um auf dem nachgelagerten Ladestrommarkt ihre Kunden an der konkreten Ladesäule mit Ladestrom versorgen zu können.
  • Das Bundeskartellamt grenzt unterschiedliche sachliche Infrastrukturmärkte nach Ladegeschwindigkeit ab, wobei wiederum zwischen Normalladeinfrastruktur (bis zu einer Ladeleistung von 22 kW) und Schnellladeinfrastruktur differenziert wird.
  • Vor dem Hintergrund der vertikalen Integration vieler CPO kann die Einräumung von Zugang zur Ladesäule gegen Abnahme teuren Ladestroms eine Preis-Kosten-Schere (margin squeeze) und damit einen Behinderungsmissbrauch i.S.d. § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB begründen, insbesondere dann, wenn der CPO vom zugangsberechtigten EMP höhere Preise für Ladestrom verlangt, als der CPO sie selbst von seinen Ladestromkunden verlangt (negative Preis-Kosten-Schere). Doch selbst wenn dem zugangsberechtigten EMP eine minimale Marge verbleiben sollte und nicht bereits eine negative Preis-Kosten-Schere vorliegt, kann die Marge zu niedrig sein, um die Kosten der Vertriebsleistung des EMP zu decken. Auch eine solche positive Preis-Kosten-Schere kann marktmachtmissbräuchlich sein.
  • Über das missbrauchsrechtliche Diskriminierungsverbot ist allen nachfragenden EMP diskriminierungsfrei Zugang zur Ladesäule zu gewähren. „Das bedeutet nicht, dass allen Zugang zu identischen Bedingungen gewährt werden muss. Vielmehr bedürfen Unterschiede in den Konditionen einer sachlichen Rechtfertigung.“

Ladestrommärkte

  • Auf den Ladestrommärkten stehen die Anbieter von Ladestrom untereinander im Wettbewerb. Dies sind zunächst der CPO mit seinem Ad hoc-Ladeangebot sowie darüber hinaus ggf. ein oder mehrere EMP, denen der CPO Zugang zur Ladesäule eingeräumt hat. Auch wenn zahlreiche EMPs Zugang zur betreffenden Ladesäule haben, wird sich das wettbewerbliche Angebot für den E-Fahrzeugnutzer in der Regel beschränkter darstellen und auf die Auswahl zwischen dem Ad hoc-Ladetarif und dem Tarif des oder der EMPs beschränken, deren Ladekarten er vorhält. 
  • Laut Bundeskartellamt betrafen Beschwerden im Rahmen der Sektoruntersuchung zu hohe Ladetarife, einschließlich Preiserhöhungen und der Abschaffung kostenloser Ladeangebote, sowie intransparente oder unübersichtliche Ladebedingungen. Das Bundeskartellamt beobachtet erhebliche Preisunterschiede auch bei vergleichbarer Ladeleistung, die mehr als 100 % zwischen den 10 % günstigsten und 10 % teuersten Ladeentgelten pro kWh betragen. Allerdings folge aus solch erheblichen Preisunterschieden nicht automatisch ein Verdacht auf einen Preishöhenmissbrauch. Vielmehr könnten sie auch auf Kostenunterschiede in der Bereitstellung und dem Betrieb der Ladeinfrastruktur zurückzuführen sein. Außerdem könnten erhebliche Preisunterschiede in einer frühen Marktphase gerade auch Zeichen für funktionierenden Wettbewerb sein, wenn sich noch kein wettbewerblicher Marktpreis herausgebildet hat und die Kosten der Infrastruktur wegen der geringen Auslastung noch nicht gedeckt werden können.

Die Sektoruntersuchung des Bundeskartellamts zeigt, dass die im Entstehen befindlichen Märkte rund um die E-Mobilität zahlreiche kartellrechtliche Fragen aufwerfen. Für Unternehmen und auch für Gebietskörperschaften und Stadtwerke gilt es dabei, sowohl kartellrechtliche Risiken zu erkennen und zu minimieren als auch kartellrechtliche Chancen klug zu nutzen.

Dezember 2024
LEITFELD

Trotz Bruchs der Ampelkoalition legte das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) am 28. November 2024 einen überarbeiteten Referentenentwurf der Verordnung zur Änderung der AVBFernwärmeV und zur Aufhebung der FFVAV vor. Er berücksichtigt die Änderungen, zu denen sich das BMWK nach der Länder- und Verbändeanhörung des Referentenentwurfs vom 25. Juli 2024 veranlasst sah.

Überblick

Gegenüber der Entwurfsfassung aus Juli 2024 wird die Privilegierung von Kleinstnetzen beschnitten. Als „Kleinstnetze“ sollen künftig nur noch solche Netze gelten, die eine thermische Gesamtnennleistung von weniger als 5 MW aufweisen und – also kumulativ statt bisher alternativ – nicht mehr als 100 Hausanschlüsse versorgen.

Auch die ohnehin problematische Regelung zur Anpassung der Wärmeleistung in § 3 AVBFernwärmeV-E wurde im Vergleich zum Entwurf vom 25. Juli 2024 verschärft. Gestrichen wurde die ursprünglich vorgesehene Entschädigungsregelung. Außerdem soll dem Kunden eine außerordentliche Kündigung künftig grundsätzlich selbst dann ermöglicht werden, wenn die (bestehende) Wärmeversorgung über ein im Sinne des Wärmeplanungsgesetzes bereits ertüchtigtes Netz erfolgt, ein ökologischer Mehrwert also nicht vorhanden ist.

Baukostenzuschüsse sollen künftig nur noch bezogen auf 50% der bei wirtschaftlicher Betriebsführung notwendigen Kosten für die Erstellung oder Verstärkung von der örtlichen Versorgung dienenden Verteilungsanlagen erhoben werden dürfen. Nach dem Referentenentwurf vom 25. Juli 2024 sollte es noch bei der (auch derzeit geltenden) 70%-Regelung bleiben.

Im Wesentlichen unverändert aus dem Sommerentwurf übernommen wurden die gegenüber der aktuellen Fassung der AVBFernwärmeV verschärften Veröffentlichungspflichten und die Vorgaben zur Ausgestaltung von Preisänderungsklauseln. Nach wie vor soll also gelten, dass die verordnungsrechtlichen Vorgaben an die angemessene  Ausgestaltung von Preisänderungsklauseln erfüllt sind, wenn Kosten- und Marktelement gleichgewichtet sind und zur Abbildung des Marktelements der Wärmepreisindex herangezogen wurde.

Ersatzlos gestrichen wurde § 24a AVBFernwärmeV-E. Er hatte zugunsten der Versorger ein einseitiges Änderungsrecht hinsichtlich der vertraglich vereinbarten Preisanpassungsklausel in Fällen eines Energieträgerwechsels oder der Änderung der Beschaffungsstruktur vorgesehen.

Ebenfalls gestrichen wurde zwar die in § 32 Abs. 1 S. 1 AVBFernwärmeV-E enthaltene Laufzeitbeschränkung auf fünf Jahre für nicht neu hergestellte Hausanschlüsse oder für Fälle fehlender Erhöhung der vereinbarten Fernwärmeleistung. Nun ist vorgesehen, dass – wie bislang auch – die Laufzeit zehn Jahre beträgt und eine Verlängerung um jeweils fünf Jahre als stillschweigend vereinbart gilt. Eine Ausnahme ist allerdings für Verbraucher vorgesehen, bei denen die stillschweigende Verlängerung des Vertrags zwei Jahre nicht übersteigen darf und vom Lieferanten unter Hinweis auf das Kündigungsrecht ein Jahr im Voraus angekündigt werden muss.

Bewertung und Ausblick

Aus Sicht der Wärmeversorgungsunternehmen muss der nun vorliegende Entwurf als Rückschritt betrachtet werden. Er gewährt noch weniger Investitionssicherheit als der ursprüngliche Ansatz. Das wiederum gefährdet den Erfolg der Wärmewende, die ganz maßgeblich auf (investitionsintensiven) dekarbonisierten und ausgebauten Wärmenetzen beruht.

Das weitere Schicksal dieses (überarbeiteten) Referentenentwurfs ist jedoch alles andere als sicher. Zwar bedürfte die Verabschiedung keiner Beschlussfassung im Bundestag; erforderlich ist aber die Zustimmung des Bundesrates.